Norweger-Bewegung, Smith Freunde, Smithianer,
Norwegische Brüder, "Die christliche Gemeinde"

Entwicklung seit 1995

von Friedrich Griess

Bewegungen, die so autoritätszentriert sind wie diese, werden naturgemäß bei einem Wechsel an ihrer Spitze einem Wandel unterworfen sein. So geschah es auch nach dem Tod des "Weltleiters" Sigurd Bratlie im Januar 1996, wiewohl sich manche Änderungen schon kurz davor abzuzeichnen begannen.

Begleitet von der stets wiederholten Behauptung, an der Lehre der "Smiths Freunde" sei seit ihrer Gründung durch Johan Oskar Smith niemals etwas geändert worden, ging eine Reihe von ideologischen Änderungen über die Bühne, die allerdings leider nur Äußerlichkeiten betraf, wie der Journalist und Theologe Alf Gjøsund, ehemals Mitglied der Smiths Freunde, in einem Artikel ausführlich erläutert (Fast grunn [Fester Grund] Nr 1/1999: Smiths Freunde - Ideologische Änderungen).

Hatte die Bewegung stets verkündet, daß sie die anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften u.a. deswegen nicht akzeptieren könne, weil diese sich durch ihre Beziehungen zum Staat, dem "Tier" der Apokalypse (Offb 17,3), als die "Hure", die sich auf das "Tier" draufsetze, geoutet hatten, und noch am 8. November 1996 in einem Interview mit Sigurd Johan Bralie (dem Sohn des verstorbenen "Weltleiters") und Øyvind Kværneland im Stavanger Aftenblad bekräftig, man wolle keine Mitgliederlisten (als Voraussetzung für staatliche Registrierung) führen, so suchte sie eine Woche später um Teilnahme am norwegischen staatlichen Unterstützungstopf laut einem Gesetz aus dem Jahre 1969 an, das sie bisher nicht gekannt zu haben vorgaben. Am 15. Dezember wurden dann auch die eigenen Mitglieder von diesem Schritt benachrichtigt (Vårt Land 19. März 1997: Von der eigenen Leitung falsch informiert?). Ein mediales Hohngelächter war natürlich die Folge (Aftenposten 4.2.1997: Delikater Streit in christlicher Gemeinde), das aber viele Anhänger offenbar nichts anfocht, vielleicht weil die Benützung der Medien ihnen damals noch nicht gestattet oder zumindest verpönt war.

Früher war den Smiths Freunden ziemlich gleichgültig gewesen, was die Umwelt über sie dachte. Nun aber begann eine PR-Offensive, deren hauptsächliches Werkzeug das 1995 auf norwegisch erschienene Buch Korsets vei des Journalisten Kjell Arne Bratli (nicht mit Sigurd Bratlie verwandt!) und ein Jahr später auch dessen deutsche Übersetzung "Der Weg des Kreuzes" war. In diesem Buch wird die Bewegung in schönfärberischer Weise angepriesen, unter Verschweigung theologischer Fakten (z.B. der Sonderlehre von Jesu Sünde im Fleisch) und sogar unter Verfälschung von Zitaten. Als Zeugen für seine Beurteilung der Smiths Freunde führt der Autor den Amerikaner Lowell D. Streiker an, der allerdings auch von den Scientologen und von der Mun-Bewegung als "Experte" benützt wurde (Entsprechende Dokumente liegen bei mir auf). Der Autor sagt übrigens von sich selbst, ihn interessiere Golf und Wein mehr als Religion (Forløsning 3/1996: Der "Weg des Kreuzes" wurde nicht für jene geschrieben, die wissen wollen, was die Smiths Freunde lehren; Dagen 15.10.1997: Smiths Freunde und Lowell Streiker).

Auch im Internet stellt sich die Bewegung schönfärberisch dar (http://www.brunstad.org und http://www.norweger.at), ohne auf den Punkt einzugehen, der sie theologisch von fast allen anderen christlichen Bekenntnissen radikal unterscheidet (Forløsning 2/1998: Die Smiths Freunde im Internet - ohne die Lehre von Jesu Fleisch).

Als äußeres Zeichen der "Lebendigkeit" der Bewegung setzte eine emsige Bautätigkeit ein. Nicht nur in der südwestlich von Oslo zwischen den Städten Tønsberg und Sandefjord gelegenen Weltzentrale Brunstad, sondern auch in Deutschland (Hessenhöfe, Herford) wurden Ausbaupläne gewälzt und realisiert, die manchen Anrainern heftige Kopfschmerzen bereiteten und die sich auch in der lokalen Presse widerspiegelten (Tønsbergs Blad 2.4.1997: Die große Halle auf Brunstad wird größer; Westfalen-Blatt 14.12.1995: Ein Heim für 100 Geschwister - Schwere Vorwürfe). Eine humorvolle Schilderung dieser auf materielle Großartigkeit gerichteten Bestrebungen liefert ein anonymer Zeuge im Beitrag Betrachtungen von außerhalb.

Was jedoch niemand erwartet hatte, trat schließlich in den Jahren 1999 und 2000 ein: Nach einem Artikel des neuen "Weltleiters" Kåre Smith, einem Enkel des Gründers J. O. Smith, in der Zeitschrift Skjulte Skatter (Verborgene Schätze), in dem dieser völlig im Gegensatz zu seinen Vorgängern die Unerheblichkeit äußeren Verhaltens postuliert hatte, fielen plötzlich eine Reihe von Tabus. Die Zeitung Aftenposten berichtete am 21. März 2000 über ein Fest im Kopenhagen, bei dem Mädchen in knielangen (!) roten (!) Röcken und mit offenem (!) Haar auf der Bühne (!) tanzten (!). Bisher waren Frauen und Mädchen ja nur knöchellange Kleidung in eher düsteren Farben und die Einheitsfrisur mit Mittelscheitel und Zopf / Zöpfen oder "Knödel" erlaubt gewesen, ein Auftritt auf einer Bühne galt als verdammenswerter Ausdruck des Stolzes, und Tanz war vollends ein Zeichen von Verworfenheit. Was aber den Event besonders sensationell machte, war der Umstand, daß diese Darbietung einschließlich einer großen Geldsammelaktion im Fernsehen übertragen wurde und die "Freunde" auf der ganzen Welt deshalb dazu aufgefordert worden waren, sich entsprechende Geräte anzuschaffen, um dieses Spektakel mit ansehen zu können. Ein holländischer Bruder, der anfragte, ob man sich nun Fernsehapparate nur zu dem Zweck kaufen müsse, um Geldsammlungen anzusehen, soll allerdings wegen dieser Aufmüpfigkeit ausgeschlossen worden sein.

Damit sind wir bei einer Verhaltensweise angelangt, die diesen scheinbar in Richtung von mehr Liberalität weisenden äußeren Veränderungen diametral entgegengesetzt verläuft. Innere und äußere Kritiker werden erbarmungsloser denn je gerichtlich und anderweitig verfolgt, obwohl sich die "Smiths Freunde" nach wie vor, zuletzt in der Märznummer ihrer in Deutschland herausgegebenen Zeitschrift Das Leben auf 1 Kor 6 berufen, wo Paulus die Gemeinde ermahnt, gegen andere Christen nicht weltliche Gerichte zu bemühen. Kritiker, welche die Öfentlichkeit auf verräterische Stellen aus interternen Dokumne hinwiesen, wurden wegen Copyright-Verletzung mit massiven Klage eingedeckt - eine sonst eher den Scientologen eigene Vorgangsweise. Kirchlichen Referaten für Weltanschauungsfragen wurde mit Klagen gedroht, falls sie ihre Stellungnahmen weiterhin aufrechterhielten. Ich selbst wurde seit 1996 viermal zivilrechtlich geklagt, wobei die Klagepunkte für meine Kritik an den Smiths Freunden eher nebensächliche Bedeutung hatten und mir auch Aussprüche zur Last gelegt wurden, die ich nie getätigt hatte - alle Verfahren endeten bisher (2001) mit Vergleichen und ich habe nichts widerrufen. Andererseits werden die S.F. nicht müde, weiterhin alle Andersdenkenden herabzusetzen (Forløsning 1/2000: Was wurde aus den Gegnern?, und Forløsning v. 25.6.2000: Smiths Freunde setzen auf Missionierung). In dem letztgenannten Beitrag wird aus der internen, nur Mitgliedern zugänglichen Website http://www.brunstadworld.org zitiert: "Es gibt niemanden außerhalb der Gemeinde, der Licht und Verständnis hat, heute das Evangelium Gottes zu verkünden".

Interessant ist auch, daß die Smiths Freunde nun - entgegen jeder historischen Wahrheit - so tun, als ob die äußeren Verhaltensänderungen von den verstorbenen Leitern Elias Alsaksen (gest. 1976) und Sigurd Braltie "so gemeint" worden wären (Forløsning 26.6.200: Fernsehen oder 16 mm - Film?)

Auch sonst werden Abtrünnige, die Kritik an den Smiths Freunden zu üben wagen, erbittert verfolgt. In Norwegen wurde ein Familienvater, der aus der Bewegung ausgetreten war, von einigen seiner Töchter wegen sexuellen Mißbrauchs angezeigt, den er noch während seiner Mitgliedschaft im Vollgefühl der von den Smiths Freunden propagierten männlichen Vorherrschaft begangen haben soll. (Verdens Gang 21.7. 1999: Ehemaliges Sektenmitglied der Unzucht beschuldigt). Interessanterweise erklärten die Klägerinnen, sie hätten den Vater nicht angezeigt, wenn er in der "Gemeinde" geblieben wäre. Ähnliche Argumente hörte man von einem Fall in Holland, wo ein den Smiths Freunden angehörender Lehrer im Laufe von 18 Jahren mindestens 30 seiner Schüler sexuell mißbraucht hatte und die lokale Leitung der Smiths Freunde dies verheimlichte, um ihren guten Ruf nicht zu gefährden, so daß der Mann weitermachen konnte (Drentse Courant 24.2.1996: Fundamentalistische Sekten verschweigen Leid, Almere 2/1996: Kindesmißbrauch schockiert viele Eltern in Rijssen, Trouw 2.3.1996: Norwegische Brüder benützen psychischen Terror gegenüber Abgefallenen und In der Welt des absoluten Gehorsams blühen die Herrscher).

Aber selbst Angehörigen von Mitgliedern, die sich öffentlich nicht kritisch äußern, wird neuerdings das Messer angesetzt: Die Mutter einer Smithianerin, die nach anfänglichen Problemen mit der Familie ihrer Tochter einigermaßen friedliche Beziehungen pflegen konnte, wurde vor kurzem bei einem Besuch ohne jeden Anlaß ihrerseits unter Druck gesetzt zu sagen, die "Gemeinde sei etwas Gutes". Als sie dazu nicht bereit war, diagnostizierte man bei ihr "satanischen Blick", sodaß ihr nichts anderes übrig blieb, als den Besuch abzubrechen und sich damit abzufinden, daß der Kontakt zur Familie ihrer Tochter offensichtlich für immer beendet sein würde.

Berichte über Gewalttätigkeiten - so die Verfolgung eines ehemaligen Mitgliedes in Deutschland auf einer Strecke von 70 km und ein tätlicher Angriff auf einen Pressefotografen in Norwegen (Porsgrunns Dagblad 22.3.1999: Pressefotograf bei der Arbeit angegriffen) und Brutalitäten gegenüber eigenen treuen Mitgliedern (Lokalzeitung Tønsberg 28.5.1997: Sie nahmen mir alles!; Tønsbergs Blad 5.7.1997: Smiths Freunde müssen das testamentarische Geschenk teilen) vervollständigen das Bild einer Gruppe, die sich trotz aller Anbiederungsversuche - in letzter Zeit vor allem bei kirchlichen und staatlichen Sektenbeauftragten - eigentlich außerhalb des Wertekodex einer zivilisierten Gesellschaft stellt.

Die Umbenennung in Deutschland von "Verband Das Leben e.V." in "Die christliche Gemeinde e.V." (entsprechend der schon längere Zeit in Norwegen verwendeten Bezeichnung "Den Kristelige Menighet") ist einerseits eine Anmaßung allen anderen christlichen Kirchen und Gemeinden gegenüber und andererseits ein äußerliches Zeichen einer schon seit längerer Zeit erfolgten noch stärkeren Zentralisierung und Gleichschaltung.

Anmerkung: Alle erwähnten Artikel und viele weitere sind in meiner Website unter http://griess.st1.at/sf.htm abrufbar.

21. Juli 2000
Friedrich Griess