Aftenposten, 4. Februar 1997: Kommentar

Delikater Streit in christlicher Gemeinde

Öffentliche Unterstützung: Unter den Smiths Freunden fragt man sich, ob es richtig ist, beim Staat um Geld für die Gemeinde anzusuchen.

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Von Kurt-Johnny Olsen.
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Der Kommentator ist Journalist bei Aftenposten mit Kirche und Weltanschauung als Arbeitsbereich.

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Die Smiths Freunde sind die einzige norwegische Gemeinde mit internationaler Ausbreitung. Von ihrem Hauptquartier auf Brunstad in Stokke aus werden etwa 25.000 -35.000 "Freunde" in allen Kontinenten geleitet. Neuesten Informationen von der Gemeinde zufolge nimmt man an, daß 6000 von ihnen in Norwegen wohnen. Das sind 2000 weniger als das, was den Medien vor erst einem Jahr angegeben wurde. Das kann darauf hindeuten, daß der Streit, der in den letzten Jahren in der Christlichen Gemeinde gewütet hat, zu größeren Abspaltungen geführt hat, als die Öffentlichkeit gewahr wurde. Uneinigkeit prägt auch mehrere Gemeinden im Ausland.

Die Unsicherheit über die Mitgliederzahl ist ein Streitpunkt von mehreren. Eine von den vielen Sonderausprägungen der Gemeinde ist nämlich, daß die Leiter ganz von Beginn an vor fast 100 Jahren betont haben, daß man auf keinen Fall ein Mitgliedsprotokoll führen solle. Dieser Standpunkt wurde theologisch begründet.

"Man schreibt sich in die Gemeinde ein und schreibt sich aus der Gemeinde heraus, wie aus einer Abstinenzlervereinigung (...) Was ist also zu tun ? Sollen wir uns in eine Gemeinde einschreiben ? NEIN !" schrieb der Gründer Johan O. Smith 1922 in einem Artikel. Mit klarer Spitze gegen andere organisierte Gemeinden betonte 1936 ein anderer früherer Leiter, Elias Aslaksen : "Man treibt religiösen Sklavenhandel. Genau im Gegensatz zum Wort der Schrift wird man mit Feder und Tinte eingeschrieben."

Nun haben die derzeitigen Leiter, die hauptsächlich aus Nachkommen des Gründers J.O. Smith bestehen, beim Fylkesmann *) in Vestfold um öffentlichen Zuschuß angesucht, zu dem alle registrierten Glaubensgemeinschaften in Norwegen berechtigt sind. Im Gesuch heißt es, daß man zwar kein "Gemeindeprotokoll" im gewöhnlichen Sinne habe, daß aber die Gemeinde ein Register der Mitglieder führe. Darauf hat ein Teil der "Freunde" kräftig reagiert. Sie meinen, daß dies Wortklauberei sei. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Mitgliederprotokoll und Mitgliederregister ? Betreibt die Leitung ohnehin etwas, weswegen sie mehrere Jahrzehnte hindurch andere christliche Leiter angegriffen hat ?

Fundamentaler Bruch

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Ein anderes Problem sei es, behaupten andere, beim Staat um wirtschaftliche Unterstützung anzusuchen, was ein fundamentaler Bruch mit der althergebrachten Praxis während der langen Geschichte der Gemeinde sei. Bei jeder Gelegenheit waren die Leiter sehr bemüht, die finanzielle Unabhängigkeit der Gemeinde von Staat, Fylke *) und Kommune zu betonen. In der heftigen Debatte, die jetzt abläuft, erinnern die Gegner daran, was der Leiter Sigurd Bratlie in seinem Buch "Die Braut und die Hure" schrieb:

"Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel für den Heiligen Geist ist, der in euch wohnt. Das war der Tempel, den Jesus bauen wollte, und er ist es, mit dem die Braut arbeitet. Hier bedarf es nicht der Hilfe des Tieres mit allen ihren Bewilligungen. Die Hure hingegen, die in der Welt groß sein wird, muß etwas haben, das sie vorweisen kann - einige hervorragende Früchte ihrer Arbeit."

Mit dem Tier meinte Bratlie, der im Vorjahr starb, die Welt außerhalb der Gemeinde und die politischen Parteien - die Hure wies auf die anderen religiösen Glaubensgemeinschaften einschließlich die Norwegische Kirche hin.

Unwissenheit ?

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Die Argumente der Gegner werden von den Leitern rasch hinweggefegt: Sie haben mit ihrem Gesuch um staatlichen Zuschuß überhaupt keine ideologischen oder theologischen Barrieren gebrochen. Unwissenheit bezüglich des "Gesetzes über Glaubensgemeinschaften und verschiedenes andere" war der Grund dafür, daß das Gesuch nicht schon vor vielen Jahren abgesandt wurde. Das Gesetz wurde am 13. Juni 1969 beschlossen.

Mit so stark theologisch begründeten Aussagen wie den obigen Zitaten von Sigurd Bratlie und Elias Aslaksen ist Grund genug zu fragen, ob es nur Unkenntnis eines bald 20 (?) Jahre alten Gesetzes war, das die Christliche Gemeinde daran gehindert hat, um öffentliche Unterstützung anzusuchen. Mit 6000 Mitgliedern haben die Smiths Freunde Anspruch auf eine Million Kronen Zuschuß im laufenden Jahr.

Den Kritikern muß man entgegenhalten, daß das, was einmal als einzige akzeptable theologische Norm verkündet und beschlossen wurde, nicht notwendigerweise für alle Zeit festgelegt sein wird oder muß. Im Laufe der Geschichte haben wir eine Reihe von Beispielen von "Wahrheiten", die unterwegs auf Grund von neuem Wissen und neuen Kenntnissen geändert wurden. Es gibt weiterhin intensive Debatten über wichtige Fragen in den meisten Kirchen und Glaubensgemeinschaften.

Mit anderen Worten steht es der jeweiligen Leitung jederzeit frei, eine Praxis zu ändern, die "vom Anbeginn an" befolgt wurde. Es gehört aber zu den Seltenheiten, auf jeden Fall hier bei uns, daß eine Gemeinde solche Änderungen über Nacht vornimmt, ohne vorausgehende gründliche Behandlung, an der teilzunehmen auch die örtlichen Gemeinden und die Mitglieder eingeladen werden. Wenn solches geschieht, dann endet es in der Regel immer mit einem aufreibenden Streit - der derzeitige Konflikt unter den Smiths Freunden ist ein gutes Beispiel dafür. Hier haben offenbar andere Gemeinden etwas zu lernen, nämlich, wie man Dinge nicht behandeln soll, wenn man unter den Freunden Ruhe und Würde bewahren will.

Mit dieser Angelegenheit ist ein Umstand bereits abgeklärt: Dem Gesuch zufolge bezeichnet die Leitung die Smiths Freunde als eine "lutherische Freigemeinde der alten Schule".

Übersetzung: Friedrich Griess

*) Anmerkung: "Fylke" entspricht dem österreischischen "Bundesland", "Fylkesmann" daher etwa "Landeshauptmann".