Svenska Dagbladet, 6.10.2002

Apropos Heiligsprechung

Der Gräuel der Verwüstung an heiligem Ort?

Heute, auf dem Petersplatz in Rom, vollbringt Johannes Paul II. eine Kanonisierung, die von vielen Katholiken mit Jubel begrüßt wird, während viele andere diese als etwas wie den "Gräuel der Verwüstung an heiligem Ort" (Mt 24. 25) erleben, der die Herrschaft des Antichrist ankündigt. Der, welcher so als heilig erklärt wird, "erhöht zur Ehre der Altäre" und als ein Beispiel für alle Völker, ist der Gründer der halbgeheimen Ordensgemeinschaft Opus Dei, Josemaria Julián Mariano Escrivá de Balaguer y Albás. Kaum eine Heiligsprechung in der Geschichte der Kirche dürfte kontroversieller gewesen sein als diese.

Wie wird jemand zum Heiligen? Bis zum Ende des Mittelalters verlief das so, daß die Leute begannen, Wallfahrten zu dem Ort zu veranstalten, wo eine Person mit dem Ruf der Heiligkeit begraben war; man bat um seine oder ihre Hilfe, um Heilung von Krankheiten usw.

Der Bischof ließ dann die Angelegenheit untersuchen und konnte den Ruf bestätigen, indem er eine sogenannte Translation bewilligte: der Leichnam des oder der Heiligen wurde in einer feierlichen Zeremonie in einem neuen Grab innerhalb der Kirche bestattet und es wurde ein Feiertag genehmigt, der möglichst mit dem Todestag, dem "himmlischen Geburtstag", zusammenfallen sollte.

Nachdem der Zustrom neuer Heiliger zunahm, wurde der Bedarf an Kontrolle fühlbar, und die Heiligsprechung wurde dem Papst vorbehalten. Jedes Verfahren wurde von einer Untersuchungskommission vorbereitet, die in einen "Prozeß" mit einem Gericht einmündete, bei dem Zeugenaussagen pro et contra vorgetragen wurden und wo der advocatus diaboli, der "Anwalt des Teufels", eine wichtige Rolle spielte und es seine Aufgabe war, alles herauszufinden, was verhindern könnte, daß die betreffende Person heiliggesprochen würde.

Dies war eine Garantie dafür, daß niemand in die Schar der Heiligen hineingeschwindelt werden konnte.

So war also die Regel bis ganz vor kurzem. Aber unter diesem Pontifikat wurde der advocatus diaboli abgeschafft und damit muß es leichter gewesen sein, daß die 464 Heiligsprechungen des Johannes Paul (fast doppelt so viele wie durch alle früheren Päpste zusammen) zustandekamen. In dieser Zahl ist auch der/die eine oder andere inbegriffen, dessen/deren Existenz von Historikern bestritten wird. Bei Josemarias Prozeß wurden keine negativ eingestellten Zeugen zugelassen; unter den Abgewiesenen findet sich auch ein Anwalt, der mit dem Kandidaten nahe verwandt ist. Aber dieser konnte so spät wie 1975 entscheidende kritische Zeugnisse gegen den Marquis (ein Titel, um den er erstaunlicherweise ansuchte und den er auch erhielt) vor einer breiteren Öffentlichkeit in Büchern und Massenmedien vorlegen.

Daß man diese Kanonisierung trotz so zweifelhafter Auspizien durchführen konnte, beruht teils auf der persönlichen Sympathie des Papstes, teils auf der außerordentlichen und beunruhigenden Macht des Opus Dei über den Vatikan und einen großen Teil des Weltepiskopates. Zu Seligsprechung (dem ersten Schritt in der Heiligenkarriere) vor zehn Jahren hatten 69 Kardinäle, 241 Erzbischöfe und 987 Bischöfe eine Petition an den Papst unterschrieben, man möge Josemaria zur Ehre der Altäre befördern.

Dies verlief in einer gigantischen Aktion, in der die Bischöfe in der ganzen Welt besucht und gebeten wurden, die Petition zu unterschreiben, was nicht unbelohnt bleiben sollte. Ich behaupte nicht, daß jene, die unterschrieben, sich dafür bezahlen ließen, aber ich weiß, daß es Bischöfe gab, die den Herren die Türe wiesen.

Katholiken schätzen Heilige; sie sind eine große Familie, mit denen wir Gemeinschaft haben und die für uns bitten, wie sie es schon hier auf Erden taten. Man hat auch das Recht, seine Beschützer zu wählen. Nicht alle sind für alle. In einer Situation wie der heutigen ist es gut zu denken, daß die Leute wissen, welches ihre Heiligen sind. Sie benötigen keine Kanonisierung, damit wir wissen, daß wir sie haben.

Gunnel Vallquist
kultur@svd.se