Parallelen zwischen Opus Dei und Tvind

Über ein Jahr lang habe ich mich nun intensiv kritisch mit einer Bewegung befaßt, die vor etwa 30 Jahren in Dänemark gegründet wurde und deren Ziel zunächst einmal war, marxistische Befreiungsbewegungen in der dritten Welt zu unterstützen. Die Bewegung erhielt nach ihrem Gründungsort in Jütland den Namen "Tvind". Bald wurde ein weit verzweigtes Netz von offiziell unabhängigen Tochterorganisationen gegründet, deren Zweck nach der Aussage ehemaliger Mitglieder es ist, Geld zu beschaffen und Nachwuchs anzuwerben; dazu gehören auch die in 17 Ländern Europas tätigen Kleidersammelorganisationen "Humana". Die dramatischen Ereignisse um Tvind im Laufe des letztes Jahres, beginnend mit einer Polizeirazzia am 25. April 2001, habe ich in meiner Internetseite http://griess.st1.at/tvind dokumentiert.

Bei Lesen des Buches "Schleichende Übernahme - Josemaría Escrivá, sein Opus Dei und die Macht im Vatikan" von Peter Hertel , Publik-Forum 2002, ISBN 3-88095-19-5, fielen mir sofort eine Anzahl verblüffender Parallelen ins Auge, die ich nun versuche, mit Hinweis auf die entsprechenden Seiten in diesem Buch zu erläutern.

Ebenso wie das Opus Dei sich für die einzige wahre Kirche hält (S, 37, S. 120) und viele Anhänger meinen, in einigen Jahrzehnten werde die katholische Kirche nur mehr aus dem Opus Dei bestehen, meinte die Tvind-Bewegung zumindest zu Beginn ihrer Tätigkeit, alle Menschen der ganzen Welt würden einmal nach den von ihnen aufgestellten Regeln leben.

Beide Organisationen erheben den Anspruch, eine neue Idee in die Kirche bzw. Welt gebracht zu haben, die vorher niemand hatte. Die angeblich Erkenntnis des Wertes der menschlichen Arbeit durch das Opus Dei war nicht wirklich neu (S. 39) und das Streben nach einer Restauration vorkonziliärer Zustände ist unverkennbar (S. 37). Tvind machte Anfangs Furore mit seiner "Reisenden Hochschule" und der großen modernen Windmühle, sein Festhalten an überholten marxistischen Grundsätzen ist jedoch eher Nostalgie.

Bei beiden Organisationen gibt es einen "inneren Kern", für den jeweils fast dieselben Verhaltensregeln gelten. Beim Opus Dei sind es die Numerarier, bei Tvind die sogenannte "Lehrergruppe". Für beide gilt, daß sie weltlichen Berufen nachgehen, ihren Gehalt aber abliefern müssen und nur die Auslagen ersetzt bekommen. Beide wohnen normalerweise in Häusern der Organisation. Während die Numerarier zölibatär leben müssen, haben die Mitglieder der Lehrergruppe um Erlaubnis zu fragen, wenn sie heiraten oder gar ein Kind bekommen wollen. Diese Erlaubnis kann natürlich verweigert werden.

Engagement außerhalb des Berufes und der jeweiligen Organisation sind in beiden Organisationen verpönt. Man muß ja seine ganze Kraft aufwenden, um die Welt zu retten, und das geht eben nur in der Organisation!

Beide Organisationen hatten ursprünglich ein ideelles Ziel, wenn auch ganz verschiedener Art, das jedoch später darauf hinauslief, durch Ansammeln von Reichtum Macht zu gewinnen. Beide legen auf luxuriöses Ambiente Wert, wenn dies auch bei Tvind nur dem Leiter und seinen engsten Mitarbeitern vorbehalten war.

Politische Gewalttäter werden enthusiastisch verehrt oder ihre Missetaten zumindest stark verharmlost. Während Escrivá meinte, Hitler sei nicht so schlecht gewesen (S. 34), werden bei Tvind Mao Tse-tung und sogar Pol Pot als Vorbilder gesehen.

Überhaupt ist bei beiden Organisationen der Personenkult ganz groß. Schon die Anrede "Vater" für Escrivá, sein Vergleich mit Abraham und Jesus (S. 29) zeigt dies. Bei Tvind ist Amdis Wort Gesetz, und er konnte mit nicht ganz linientreuen Anhängern ebenso brutal umgehen wie Escrivá. Die Befehle kommen bei beiden Organisationen immer von ganz oben, die Anhänger sind nur die Ausführenden (S. 68).

Bei beiden Organisationen sind Verstöße gegen in der äußeren Welt bzw. Kirche geltenden Regeln gang und gäbe, denn der Zweck heiligt offenbar die Mittel. Für das Opus Dei berichtet Hertel über sechs Regelverstöße (S. 57) , die allerdings keine Sanktionen zur Folge hatten; ja, sie werden sogar demnächst durch die Heiligsprechung des Gründers abgegolten. Die "Regelverstöße" des Tvind-Gründers und -Leiters Mogens Amdi Petersen und anderer Mitglieder der obersten Führungsschicht führten allerdings in mehreren Ländern zu Gerichtsverfahren, und Petersen selbst sitzt seit 17. Februar 2002 in Kalifornien in Untersuchungshaft und wartet dort auf seine voraussichtliche Auslieferung nach Dänemark.

So wie Hertel dem Opus Dei vorwirft, den Geist des Kirchenrechts zu ignorieren (S. 52), ebenso ignoriert auch Tvind den Geist staatlicher Gesetze und versucht, mit juristischen Spitzfindigkeiten das jeweilige Ziel zu erreichen.

Eine interessante Parallele ist auch, daß jede der beiden Organisationen in keinem Land so umstritten ist wie in ihrem Ursprungsland (S: 45) und daß sie versuchen, Einfluß auf die Politik jenes Staates zu nehmen, in dem das jeweilige Hauptquartier liegt. Für das Opus Dei ist es natürlich der Vatikan (S. 94) und für Tvind, nachdem in Dänemark die Machtübernahme scheiterte, derzeit Simbabwe mit dem alles andere als demokratischen Staatsoberhaupt Robert Mugabe.

Hertel berichtet von Bücherverbot und Zensur (S. 53). Auch Lehrergruppenmitgliedern war es, als sich die anfängliche Sympathie der Öffentlichkeit von Tvind abwandte, verboten, z.B. Zeitung zu lesen, damit sie die an ihnen dort geübte Kritik nicht erfahren konnten.

Die "kooperativen Werke" des Opus Dei, die den Zusammenhang mit dem Werk leugnen, in denen aber überall geeichte Anhänger sitzen, sind bei Tvind mit den zahlreichen Organisationen wie Humana, UFF (Ulandshjelp fra Folk til Folk - Entwicklungshilfe von Volk zu Volk), DAPP (Development Aid from People to People), ADPP (Ajuda de Desenvolvimento de Povo para Povo), Planet Aid usw. vergleichbar, die fast in allen Fällen von meist dänischen Mitgliedern der Lehrergruppe geleitet werden, die aber ebenfalls behaupten, unabhängig zu sein. Wie beim Opus Dei ist diese Auskunft, die man bekommt, formal richtig, aber praktisch unrichtig (S.82).

Durch solche angeblich unabhängigen Institutionen werden bei beiden Organisationen idealistische junge Leute angeworben, die meist zunächst nicht wissen, wer wirklich dahintersteckt. Bei beiden Organisationen gibt es zahlreiche Aussteiger, die erkennen, daß sie auf das falsche Pferd gesetzt haben, und "glückliche " Anhänger, die auch nicht die geringste Kritik an dem von ihnen unterstützten System zulassen wollen.

Bei Tvind ist man längst übereingekommen, die Organisation nach soziologischen Gesichtspunkten als "Sekte" zu bezeichnen. Eine adequate Schlußfolgerung bezüglich des Opus Dei überlasse ich dem geneigten Leser.

28. Juli 2002
Friedrich Griess

Anmerkung: Bei Humana Österreich sind von vier Vorstandsmitgliedern drei Dänen, die der Lehrergruppe angehören. Die Vizeobfrau Jytte Nielsen ist zugleich Direktorin von Humana Nederland und bekleidet auch bei Humana i Sverige (Schweden) eine Vorstandsfunktion.