http://www.dn.se/DNet/jsp/Crosslink.jsp?p=DNet&d=11&a=241559&f=inuffsondag.html

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UFF/2

Gehirnwäsche. Annelie, Lisa und Stina sind Aussteigerinnen aus der Sekte "Lehrergruppe", die hinter der Vereinigung UFF steht. Sie berichten über den psychischen Terror, den der Sektenführer ausübt, um die Mitglieder hart arbeiten zu lassen. Sogar Angestellte in UFF-s Geschäften in Stockholm werden manipuliert und dazu überredet, sich für den "Einsatz in Afrika bereitzuerklären".

Die Sekte hält die Mitglieder in einem eisernen Griff

Von Juan Flores und Nuri Kino

Auf der Wohnungstüre steht Österdahl. Ein erkälteter finnischer ausgestiegener Gymnasiast öffnet und führt uns herum. Zehn Betten in zwei Räumen, Schlafsäcke, Matratzen, abgestandene Luft und Zigarettenrauch, der sich zu zerstreuen weigert. Hier wohnen zehn Jugendliche, die neun Stunden täglich und sechs Tage wöchentlich ohne Lohn arbeiten. Sie zahlen eine Schuld ab.

Man nennt sie Solidaritätsarbeiter und holt sie aus der ganze Welt. Sie arbeiten für UFF, U-landshjälp från folk till folk [Entwicklungshilfe von Volk zu Volk], und müssen gemeinsam in einer Wohnung leben, die UFF in Rinkeby mietet. Sie bekommen 300 Kronen wöchentlich für Essen und Unkosten. Allein bei UFF-s Flohmarkt in der Hauptstadt gibt es ständig 1-3 ausländische Jugendliche, die auf diese Weise gratis arbeiten. Sie bezahlen eine Schuld an Amdi Petersen ab, arbeiten für Schulgeld.

Obwohl sie bei UFF arbeiten - in Geschäften, bei der Kleidersortierung, Kleiderabholung und beim Flohmarkt - ist UFF für sie nicht verantwortlich, behauptet die Vereinigung. Ihre Chefin ist die Dänin Else-Marie Pedersen. Sie kommt meist einmal wöchentlich, um sie zu kontrollieren. Else-Marie Pedersen arbeitet für das Rekrutierungsorgan der Sekte Lehrergruppe

Als DN die Jugendlichen in der Wohnung interviewt, sind sie voll Fragen über Amdi Petersen und die Lehrergruppe, von denen sie nur reden gehört haben, obwohl sie für diese arbeiten.

Da taucht Else-Marie Pedersen auf. Sie wird völlig rasend, als sie einen Journalisten innerhalb UFF-s Wohnung in Rinkeby entdeckt.

- Das hier ist Hausfriedensbruch! brüllt sie.

- Raus hier!

Dann ruft sie frenetisch am Mobiltelefon an und beginnt in der Wohnung herumzukramen. Es sieht so aus, als ob sie Dokumente wegräumte.

Einen Augenblick später kommt einer der Jugendlichen heraus, ein deutscher Bursche. Er geht seines Weges.

-Sie sagt, Journalisten seien Teufel, wir sollten mit ihnen nicht reden. Wir sind nur einige arme Jugendliche, die in Schwierigkeiten kamen. Das hier ist sehr unbehaglich, setzt er fort und steigt in den Bus.

Eine exklusive Penthousewohnung, in der ein diskreter Däne wohnt. Er hat Nachbarn wie Julia Roberts und Robert de Niro. Herr Petersen ist seit zwanzig Jahren nicht fotografiert worden. Es ist fast so, als ob es ihn nicht gäbe. Dennoch hat Mogens Amdi Petersen alle Macht über die zehn Jugendlichen in der abgenutzten Wohnung in Rinkeby.

ANNELIE

"Solidaritätsarbeiter" zu werden ist der erste Schritt hinein in die Sekte Lehrergruppe.

Annelie Karlqvist aus Sollentuna machte diesen Schritt. Sie hatte eine Annonce in der Zeitung gesehen: "Willst du als Freiwilliger in Afrika arbeiten?"

Annelie arbeitete den ganzen Sommer 1999, um die 25.000 Kronen wieder zu bekommen, die es gekostet hatte, auf Amdi Petersens Schule außerhalb von Hull in England zu studieren.

Dort begann die Niederbrechung. Schlafmangel, harte Arbeit und Isolation von der Umwelt. Sie sollte lernen, blind zu gehorchen.

- Wir durften das, was wir taten, nicht in Frage stellen. Jeden Morgen sollten wir eine Menge Toaletten reinigen, die niemand benützte. Alle Aufgaben, die sie uns aufhalsten - die Schule zu renovieren, Essen zuzubereiten, jeden Morgen frisches Brot zu backen - bewirkten, daß wir es schwer hatten, die Ausbildung zu absolvieren. Und wir waren gezwungen, eine bestimmte Anzahl Punkte zu erreichen, um mit nach Afrika zu kommen und dort beim Hilfsprojekt zu arbeiten.

- Wenn wir darüber klagten, so antworteten sie: "Wenn ihr nicht einmal das hier schafft, wie wollte ihr es dann in Afrika schaffen?"

Ein Teil ihrer "Ausbildung" bestand darin, durch den Verkauf der Schulzeitung auf den Straßen von Leeds Geld für die Afrikareise zu erbetteln.

- Wir wohnten auf dem Fußboden in einer Kirche und verkauften Zeitungen von morgens bis abends. Ich habe niemals so viel gefroren. Wir sollten uns auch in Restaurants Kaffee erbetteln, mir fiel das Betteln so schwer.

An der Tvindschule sieht man das Bettelnlernen und ohne Geld Auskommen als wichtige Lehre an, ebenso wie die Menschen in der dritten Welt ohne Geld auskommen müssen.

Annelie wurde eine der Hingebungsvollsten in der Schule. Sie war immer sportinteressiert und auf Wettbewerb eingestellt. Das bewirkte, daß sie die Klassenkameraden anfeuerte, wenn diese nachließen. Gleichzeitig plagten sie Verdachte. Welchen Weg nahm das Geld, das sie auf den Straßen erbettelten? Allein während eines Tages nahm sie 1.500 Kronen ein. Jeden Morgen wurde das Geld auf ein Bankkonto eingezahlt.

- Wir bekamen nie eine zufriedenstellende Antwort, wenn wir unsere beiden Lehrer fragten, wozu das Geld benützt würde. Zuletzt sagten sie, es würde zum Betrieb der Schule, für Miete und Ähnliches verwendet, sagt Annelie.

Gleichzeitig begann ihr Freund an Annlies Mails zu merken, daß etwas nicht zum Besten stand, daß sie sich veränderte. Er erkundigte sich über die Schule in Hull und rief dann Annelies Eltern an. Gemeinsam planten sie Annelies "Befreiung". Sie sollte nach den Weihnachtsferien nicht mehr dorthin zurückkehren.

- Als ich heimkam, war ich ganz auf Touren und konnte mich nicht entspannen. Mamma mußte mir mehrmals sagen, ich solle es ruhig angehen, ich war so gewohnt, daß es die ganze Zeit über so eine Menge zu tun gab.

Einige Tage später wurde Annelie mit den Informationen über die Schule konfrontiert.

- Zuerst ging mir ein Anfall von Verteidigung durch den Körper, ich hatte mich gleichsam darauf vorbereitet, daß die Schule in Frage gestellt werden sollte, da ich ja selbst gewisse Verdachte hegte. Aber als sie berichteten, was sie gefunden hatten, fielen alle Mosaiksteinchen auf ihren Platz, ich brach zusammen und begann zu weinen, berichtet Annelie.

LISA

Annelie kam niemals nach Afrika. Aber dies tat Lisa Karlsson (fingierter Name), die heute Ärztin ist. Lisa wurde durch einen Anschlag im Kulturhaus auf dem Sergels Torg angeworben, bei UFF zu arbeiten. Sie wollte einen praktischen Einsatz in Afrika absolvieren und fuhr zu einem Kurs der Reisenden Hochschule.

- Wir fuhren durch verschiedene Länder und da wir ein sehr kleines Budget hatten, fuhren wir per Anhalter und schliefen wo wir konnten, bei Fremden, irgendwo. Das war lehrreich, aber auch mit einigen Gefahren verbunden, da wir die Absicht hatten, durch ein Land per Anhalter zu fahren, in dem voller Bürgerkrieg herrschte, sagt sie.

Lisa war auf dem Weg tiefer in die Organisation hinein, zu dem sektenähnlichen Kern, und wurde Probemitglied mit Zweijahresvertrag. Wer Mitglied auf Lebenszeit wird, unterschreibt einen Vertrag, daß alle wirtschaftlichen Einkünfte, Erbe und Ähnliches, der Lehrergruppe überlassen werden, und bekommt darauf Taschengeld und Kosten aus der gemeinsamen Kasse bezahlt.

Nun merkte auch sie, daß es nicht mehr eben leicht war, auszusteigen.

- Wir hatten Großversammlungen, wo wir harter Kritik der "Kameraden" ausgesetzt wurden. Einmal sagte eine, sie wolle heimfahren - da sagten alle: "Nun brechen wir die Versammlung nicht eher ab, bevor sie ihre Meinung geändert hat." Wir setzten die ganze Nacht hindurch fort und zum Schluß brach sie zusammen und sagte, sie wolle nun nicht mehr heimfahren. Da sagten sie: "Es klingt nicht so, als ob du meintest, was du sagst. Wir machen weiter, bis du überzeugend klingst."

- Als ich sah, wie diese Behandlung auf ihre Psyche wirkte, verstand ich, daß ich um keinen Preis mich einer solchen aussetzen wollte.

Lisa Karlsson arbeitete bei einem Alphabetisierungsprojekt mit. Das funktionierte nicht weiter, da die skandinavischen Jugendlichen, welche sie leitete, allzu kurze Zeit dort bleiben sollten, als daß sie jemanden lesen und schreiben lehren konnten. Der Unterricht erfolgte ohne Zusammenarbeit - und bisweilen im Streit - mit dem dortigen Unterrichtsministerium.

- Eimal sagte eines der Lebenszeitmitglieder mir direkt ins Gesicht, das Wichtigste sei nicht, die Afrikaner Lesen, sondern Mitglieder der Lehrergruppe sein zu lehren. Da merkte ich, daß die Arbeit nicht mehr sinnvoll war, sagt Lisa.

Nach und nach begann Lisa Karlsson unter unerklärlichen Schwindelanfällen zu leiden und benötigte eine Röntgenuntersuchung. Als sie auf dem Weg ins Krankenhaus in einem Nachbarland war, wurden ihr Geld und Paß geraubt. Einer der Kameraden in der Lehrergruppe wagte nicht, ihr die 100 Kronen zu geben, welche die Untersuchung gekostet hätte, ohne erst die Sekte um Erlaubnis zu fragen. Da flüchtete Lisa.

- Normalerweise waren alle Pässe eingesperrt, aber da ich mich in einem anderen Land befand, hatte ich den Paß zurückbekommen. Als ich auf dem schwedischen Konsulat war, um einen neuen Paß ausgestellt zu erhalten, ergriff ich die Gelegenheit. Ich rief meine Mutter an, die mir Geld schickte, das für ein Flugticket nach Spanien reichte.

- Als ich zum Flugzeug hinausging, da erinnere ich mich, daß ich dachte: "Hoffentlich kommt nicht jemand von der Lehrergruppe mit diesem Flugzeug", denn ich war immer noch so sehr in ihrer Gewalt, daß es gereicht hätte, wenn sie mir etwas mit der Hand gewinkt hätten, daß ich ihnen zurück gefolgt wäre, sagt Lisa Karlsson.

Von Spanien fuhr sie per Anhalter heim nach Schweden.

Als sie schließlich im Krankenhaus untersucht wurde, lautete die Diagnose "Panikangst".

STINA

Stina Fernström war so weit drinnen in der Sekte Lehrergruppe, wie man überhaupt kommen kann. Sie erhielt die Nummer 33. Stina war dabei, als Sektenmitglieder sterilisiert wurden, weil Amdi keine Präventivmittel bezahlen wollte. Das Argument war, es sei egoistisch, sich Kinder anzuschaffen, und könne nicht zugelassen werden. Sie war dabei, als Amdi noch weiter ging und den Sektenmitgliedern sexuelle Beziehungen verbot. Die Beziehung zu den Kameraden in der Lehrergruppe mußten die stärksten sein.

Alle Frauen schnitten das Haar kurz und wurden entweiblicht.

Als Stina Fernström schließlich aus Tvind ausbrach, geschah dies mit schweren Schritten. Sie war niedergebrochen, ohne Selbstvertrauen, und konnte weder weinen noch lachen. Sie fühlte sich nicht würdig, dabei zu sein, sie taugte nichts, es dünkte ihr schade um Amdi Petersen, sollte er ihr auf den Korridoren begegnen müssen. Sie fuhr heim, um Weihnachten zu feiern, und kam nicht zurück.

Gleichzeitig wußte sie, daß man sie nicht so einfach loslassen würde. Sie war neun Jahre lang Amdis Buchhalterin gewesen. Sie war dabei, als die Lehrergruppe für Amdi Petersen ihre erste Million machte. Stina kannte jede Auszahlung, welche die Sekte vorgenommen hatte. Sie hatte die Namen aller Kameraden im Kopf, da diese nicht niedergeschrieben werden durften. Sie saß daheim bei ihrer Mutter und wußte, daß innerhalb von zwei Stunden jemand von der Sekte an die Türe klopfen werde.

Stina ging in den Untergrund.

Stina Fernström wurde zu Beginn der Siebzigerjahre Mitglied der Lehrergruppe. Nach einem Jahr in der Bewegung wurde ihr Beitritt zur Lehrergruppe zugelassen.

Da legte sie ihr Gelübde ab. Ewige Treue. Gemeinsame Ökonomie. Geteilte Zeit.

Geteilte Zeit zu haben beinhaltete, daß Stina nicht mehr selbst bestimmen konnte, was sie tun sollte, das wurde gemeinsam in der Gruppe bestimmt. Und Amdi Petersen setzte den Standard, was akzeptabel sei.

- Wenn jemand dabei sein wollte, wenn ein Verwandter das Abitur machte, konnte die Antwort lauten: "Ja, aber dein Bruder kann das Abitur wohl ohne dich machen? Was ist am wichtigsten, daß dein Bruder das Abitur macht oder daß die Arbeit hier fertig wird?"

Dies wurde so weit getrieben, daß Stina schwere Gewissensbisse bekam, wenn sie sieben Minuten ihrer "gemeinsamen Zeit" verwendete, um jeden Morgen die Blumen zu gießen.

Als Stina die Buchführung in die Hand nahm, erhielt sie eine zentrale Rolle in der Organisation. Sie bezahlte das Taschengeld aus. Stina hatte tägliche Kontakte mit Amdi Petersen, der zum Unterschied von anderen Linksrevolutionären die Wichtigkeit der Kontrolle der Ökonomie einsah. Er sollte jede Ausgabe persönlich genehmigen.

- Ich rief Amdi an, wenn ich Geld ausbezahlen sollte. Da konnte er sagen: "Ist es etwas Besonderes?" Da antwortet ich, nein, es ist wohl Elsie, die zum Zahnarzt soll. "Zahnarzt? Glauben Sie, daß die Menschen in den Entwicklungsländern zum Zahnarzt gehen?" Da hörten wir auf, zum Zahnarzt zu gehen

Nachdem sie der Günstling der Presse gewesen war, wendete sich am Ende der Siebzigerjahre die Meinung gegen die Tvindbewegung. Da verbot Amdi Petersen den Sektenmitgliedern, Zeitung zu lesen und fernzusehen, und baute gleichzeitig ein starkes Drohbild auf, das die Gruppe fest zusammenschweißte.

- Später habe ich etwas von dem unterdrückerischen Mechanismus verstanden. Erstens durften wir fast nie schlafen, was eine wirksame Methode war, uns unter Kontrolle zu halten. Dann war es so, daß wir niemals taugten. Ich war in einer Situation, in der ich ständig agieren mußte, und er sorge dafür, daß falsch war, was immer ich tat. Da läuft man ein, sagt Stina.

Die Lehrergruppe hatte Großversammlungen, wo "wirkliche Demokratie" herrschen sollte, alle sollten übereinstimmen, sonst wurden die Versammlungen nicht beendet. Amdi Petersen war mit seinem Charisma und seinem verbalen Vermögen in seinem Element. Er machte kreative Vorschläge, die mit langem Beifall bedacht und dann genehmigt wurden. Wenn jemand sich einmal Amdi Petersen widersetzte, dann dauerte es drei Tage, bis Amdi seinen Willen durchgesetzt hatte, berichtet Stina Fernström.

Die Versammlungen konnten wie ein in die Länge gezogenes Mobbing sein. Die zueinander Geschwister seien, so lehrte Amdi Petersen die Sektenmitglieder, seien die einzigen, die wahre Liebe hätten, alle anderen in der Gesellschaft lebten von Surrogaten. Gleichzeitig seien sie auch zueinander Feinde, kontrollierten einander und kritisierten einander bei Großversammlungen, da sie sonst selbst kritisiert werden konnten

In der Lehrergruppe konnte jeder Beliebige jede beliebige Arbeitsaufgabe bekommen. Jemand konnte die Verantwortung für den Bau einer Schule bekommen.

- Wenn es einem mißglückte, weil die Aufgabe zu groß war, war man dennoch gezwungen, die Verantwortung zu übernehmen, man konnte nicht auf den zeigen, der den Vorschlag gemacht hatte, nämlich Amdi. Für etwas kritisiert zu werden, wofür man sein Bestes getan hat, aber nicht die Möglichkeit hatte, es zu schaffen, das ist psychische Tortur.

So nach und nach schien es, daß Amdi Petersen auch mehr und mehr paranoid wurde. Er hatte bewaffnete Wächter, kam und ging meist in den Nächten, forderte die Lehrergruppenmitglieder auf, ihre Briefe, Fotoalben und andere Dinge privaten Charakters zu verbrennen. Die Lehrergruppe wurde abgehört; wenn man über Amdi Petersen sprach, sollte man sagen "Die anderen". "Es gibt Verräter unter uns, Spione", sagte Amdi Petersen.

Es ging so weit, daß alle Post durchleuchtet wurde, nachdem Amdi Petersen erklärte, es könnten Briefbomben kommen.

Und dann wurde der Beschluß gefaßt, Infiltratoren zu töten.

- Wir saßen ein einer Großversammlung, 100.150 Dänen und Schweden mit Mittelklassehintergrund, und wir beschlossen einhellig, wir würden den unter uns töten, der ein Verräter sei! Nur eine Person verließ den Raum, als der Beschluß gefaßt wurde, und zwar deshalb, weil sie Krankenpflegerin war und einen Eid geschworen hatte, Leben stets zu schützen.

- Ja, ich glaube, ich hätte damals töten können, sagt Stina Fernström heute.

Eines Tages verstand Stina, daß ein Teil der Sektenmitglieder mehr war als andere.

- Man konnte einen Raum betreten und verstehen, daß sie über etwas sprachen, worüber wir nichts wußten. Dies war unerhört schmerzlich einzusehen, denn wir sollten ja alle gleich viel wert sein und dazu gehörte auch, daß alle die selbe Information haben sollten.

Tatsächlich hatte Amdi Petersen eine Struktur mit Zellen aufgebaut, in der niemand mehr wußte als seine eigene Gruppe. Einige konnten in mehreren Zellen sitzen. An bestimmten Abenden setzten sich verschiedene Gruppen in Autos und fuhren zu geheimen Versammlungen. Am Morgen waren sie wieder da und taten, als ob nichts gewesen wäre.

- Man wurde ein Meister im Doppelspiel und im Aufsetzen einer Maske, indem man so tat, als ob man wüßte, wovon das Gespräch handelte, erklärt Stina.

Stina wußte, daß es schwer war, die Sekte zu verlassen, die psychische Bindung zu durchbrechen. Es dauerte zwei Jahre nach den Weihnachten, als sie mit der Sekte gebrochen hatte, bis sie es wagte, in die Stadt zu gehen. Sie hatte bei einem alten Freund aus der Zeit der Theaterwelt, also vor der Sekte, gewohnt. Niemand wußte, daß sie dort war, nicht einmal Stinas Mutter. Dennoch hatte die Sekte den Freund angerufen und nach Stina gefragt.

Eines Tages stieß sie auf Åhléns mit einer ihrer alten Kameradinnen zusammen, die heute noch in der Lehrergruppe ist.

- Stina!

Sie grüßten.

- Stina, sollen wir nicht gehen und die anderen anrufen?

Wie eine Schlafwandlerin folgte Stina Marja in die Telefonzelle. Marja suchte nach einer Münze, um Amdi Petersen anzurufen. Fand keine.

- Warte hier, ich gehe wechseln, sagte sie.

Da brach die Ohnmacht. Stina legte die Hand auf Marjas Arm.

- Marja, das ist keine gute Idee. Ich begleite dich nicht dorthin. Ich gehe jetzt.