Trouw (Holland), 24. September 1994: Seite 1

Bei den "Norwegischen Brüdern" werden die Vorhänge zugezogen, wenn der Vater Strafen austeilt.

von Ruud van Haastrecht, Amsterdam.

Leute, die aus der Gemeinde "Die Norwegischen Brüder" ausbrechen, kämpfen mit ernsten psychischen Problemen.

Das ist die Erfahrung von M. Opperhuizen, einem Sozialarbeiter in einem großen psychiatrischen Krankenhaus in Nord-Holland. Die "Norwegischen Brüder" sind nicht, wie der Name vermuten ließe, ein römisch-katholischer Klosterorden, sondern eine fundamentalistische protestantische Sekte, die in den Niederlanden etwa 2000 Mitglieder hat. Opperhuizen hat sich in "Die Norwegischen Brüder" vertieft, denn er hat zwei Patienten, welche diese "Bruderschaft" verlassen haben. "Menschen, die sich losreißen, weisen alle Merkmale einer ernstlich traumatisierten Jugend auf, als Folge von Abstrafung, die vieles mit extremer Mißhandlung gemeinsam hat", sagt er.

Die geistige (psychische) Problematik von ehemaligen Norwegischen Brüdern ist ihm zufolge sehr stark vergleichbar mit der von Inzestopfern. Sie sind, Opperhuizen zufolge, traumatisiert, weil in der Jugend alle Spontaneität und alles Selbstwertgefühl unterdrückt wird. Das geht parallel mit körperlicher Züchtigung: Stockschläge auf bloße Fußsohlen, oder die Kinder müssen sich entkleiden und werden so zuschandengeschlagen. Eines der ernstesten Probleme ist, daß man sie lehrt, sie müßten gegen sich selbst kämpfen. Deine eigene Sünde mußt Du töten. Deshalb schlagen die Väter ihre Kinder blutig. Opperhuizen bestätigt Berichte von Aussteigern - daß sexuelle Übergriffe (Mißbrauch) in den Familien regelmäßig vorkommen. Er schildert die "Bruderschaft" als eine sehr geschlossene Gesellschaft. Nach außen hin wirkt diese Bruderschaft wie eine warmherzige Gemeinschaft. Aber zu gewissen Zeiten wird also die Eingangstüre buchstäblich geschlossen. Die Vorhänge werden zugezogen und der Vater teilt Strafen aus.

In "Trouw" von heute berichten einige Aussteiger aus den "Norwegischen Brüdern" über ihre Erfahrungen.

Die Leiter, van der Linden und Littooij, erkennen sich darin absolut nicht wieder. Am allerwenigsten mögen sie die Beschuldigungen einer früheren Schwester - daß auf dem Versammlungsplatz "De kroeze Danne" in Delden auf jeden Fall ein Mädchen jahrelang sexuell von einem Bruder, der in der Versammlung Zutrauen und Ansehen genoß, mißbraucht wurde, ohne daß dies für seine Position in der Gemeinde irgendwelche Konsequenzen gehabt hätte.

Littooij: "Das Gegenteil ist der Fall, wenn solches bekannt wird. Es wird mit dem Betreffenden gesprochen, und normalerweise versteht er, daß es für ihn nicht passend ist, sein Amt weiterhin auszuüben".

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Krieg gegen die Sünden bei den "Norwegischen Brüdern"

Es wird Krieg geführt in der "Norwegischen Bruderschaft" gegen die Sünde im eigenen Fleisch. Ein Krieg, in dem die Jugendlichen alles auf die Spitze treiben. Sie spionieren ihre Eltern aus, die sie für lau halten, und berichten das der Leitung. Die schöne Fassade und das "Leben ohne Sünde" verbirgt viel Zwang und Kummer, und das Abliefern alles irdischen Besitzes (Geldes) wird als "einfältiger Glaube" geschätzt. Und "es ist ungeheuer schwierig, aus dieser Gesellschaft herauszukommen", seufzt Ruth Postma. "Ja, es ist so schrecklich schwer, da herauszukommen".

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"Die Norwegischen Brüder sind gering an Zahl, aber stark im Glauben. Ein Treffen bei ihnen beginnt nicht mit dem traditionellen stillen Gebet. Zu Beginn des Treffens erheben sich alle, strecken die Hände oder die geballte Faust empor und schreien zu Gott um Vergebung und Gnade. Ein kleines Mädchen in der vorletzten Bank beginnt zu schreien - sie hat Todesangst.

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Kåre Smith schreit ebenfalls. Er ist heuer der Hauptprediger auf dem Sommertreffen der niederländischen Norwegischen Brüder auf ihrem eigenen Versammlungsort "De kroeze Danne" in Twente, Gemeinde Delden. Er spricht über "einfältigen Glauben" und er wiederholt diese Worte viele Male im Laufe seiner Predigt.

Was seinen eigenen Leibesumfang betrifft, so betrachtet Kåre Smith das Wort "Genügsamkeit" wohl als nicht so wichtig von der biblischen Botschaft aus gesehen. Er erfreut sich der Hochachtung in seiner Umgebung wie einer, der die Gnadengabe erhalten hat, Gottes Wort zu predigen. Gleichwohl vermittelt er nicht einen Augenblick lang den Eindruck, daß er selbst an das glaubt, was er sagt. Aber das ist ja nur das Sichtbare. Gott allein kennt die Herzen...

"Einfältiger Glaube" - schreit Kåre Smith wiederum. Das ist natürlich etwas, wofür er brennt. "Wenn in dir eine Frage auftaucht, die den Glauben anficht, so mußt du diese verdrängen", sagt er zum Beispiel. Er zählt die drei größten Anfechtungen auf, welche den Glauben antasten können: das andere Geschlecht, Geld und Ehre. Er erzählt, daß zu ihm Eltern kamen und sich darüber beklagten, daß eines ihrer Kinder sein ganzes Geld der "Bruderschaft" gegeben hatte. Aber da waren sie an der falschen Adresse, wenn sie auf Verständnis und Mitleid hofften ! "Das ist wahrer 'einfältiger Glaube'", schreit Kåre Smith. "Gäbe es nur mehrere solche reiche Jünglinge !"

Eine flüchtige Besichtigung des Parkplatzes am Versammlungsort zeigt, daß hier eine große Aufgabe wartet ......

Kåre Smith richtet seine brennenden Pfeile besonders gegen die Älteren, denn mit den Jugendlichen geht es gut. Sie bilden eine treibende Kraft hinter einer Erweckung, die vor einigen Jahren aus Norwegen kam. Es ist keine Erweckung im traditionellen Sinn, daß sich die Menschen dem Glauben zuwenden. Bei den Norwegischen Brüdern werden kolossale Anstrengungen gemacht, um mit allem zu brechen, was als Sünde betrachtet wird. Auch das Glaubenserlebnis wurde intensiver und gefühlsbetonter. In ruhigeren Zeiten blickte man auf die Pfingstbewegung mit den erhobenen Händen, dem Klatschen und Singen herab. Nun geschieht dies auch bei den Norwegischen Brüdern - nur stärker. Es werden massenhaft Gebetstreffen abgehalten.

Es erschien auch eine neue Ausgabe des Gesangsbuches, in dem neue Lieder enthalten sind, die während der Erweckung entstanden sind. Sie handeln davon, Krieg gegen das eigene Leben zu führen, das eigene Fleisch zu töten., von Leiden, Blut, Kreuzestod und Grab. Denn - je mehr man leidet, desto heiliger wird man - den Brüdern zufolge.

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Mit der Gemütlichkeit in der Jugendarbeit ist jetzt Schluß. Früher waren Jugendtreffen ein großes Fest. Es war schön, der Saal war geschmückt, es wurden Pfannkuchen gebacken und zum Schluß gab es ein Feuerwerk mit den leuchtenden Worten "Gott ist mit uns". Nun schwenken Kinder von 3-4 Jahren an die geballten Fäuste als Zeichen der Hingabe zu Gott - und die Jugendleiter stopfen sie voll mit Bibeltexten, Belehrungen und Zeugnisgeben.

In der Norwegischen Brüderschaft geht zurzeit eine Kulturrevolution vor sich, welche Züge des kommunistischen China zur Zeit Mao Tse Tungs in den 60-er-Jahren aufweist. Die Jugendlichen reißen von den Eltern die Macht an sich und "spionieren sie als Laue aus". Daheim spionieren sie die Eltern aus, ob sie es mit der Erweckung ernst meinen - und dann verpetzen sie ihre Eltern bei den Leitern, wenn es dort nicht stimmt.

Die Jugendlichen machen bitteren Ernst mit dem Glauben an Gott. Ein "Geist des Streites" kam über sie, heißt es in diesem Kriegsjargon bei der Norwegischen Bruderschaft. Denn es wird Krieg gegen die "Sünde im Fleisch" geführt. Sie muß verbannt und getötet werden, damit göttliche Natur die eigene verderbte menschliche Natur ersetzen kann. Aber es kommt nichts an deren Stelle. Etwas stirbt wohl und ein einförmiger Menschentyp bleibt zurück, gehüllt in ein geistiges Mao-Kostüm - ohne eigene Gefühle und Persönlichkeit. Wenn ein neues Mitglied auftritt, dann werfen sich alle auf den Neuankömmling, denn er /sie ist gesund, natürlich und anders, und nach einem Jahr ist der/die Betreffende eine graue Maus geworden wie alle anderen - oder er/sie hat die Bruderschaft still verlassen. Er/sie gehörte da wohl nicht zu den 144.00 Auserwählten.....

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In fast jeder Wohnung hängen Bilder von J. O. Smith, Aslaksen und Bratlie, als ob sie Jesus, Petrus und Johannes wären.

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Die Erweckung kam zuerst nach Santpoort (bei Amsterdam). Es war, als ob der Blitz eingeschlagen hätte. Viele kamen aus anderen Städten, um zu sehen, was geschehen war. Viele erschraken zuerst. Der Gesang hatte eine unnatürlich hohe Lautstärke, und die Nachbarn des Gemeindelokales beschwerten sich bei der Polizei. Und eine junge Schwester mit 22 Jahren ruinierte ihre Stimme für immer.

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Beim Pfingsttreffen in Delden vor drei Jahren war die Erweckung in vollem Gang. Ruth und Frank Postma aus Friesland erlebten dies zum ersten Mal und wurden sehr erschreckt. Als sie nicht aufstanden und mit erhobener Hand sangen, erhielten sie einen Stoß in die Seite und Worte wie: "Ungöttliche, warum steht ihr nicht auf !" Als Schlimmstes erschien ihnen alle die Anklagen gegen die Älteren, die trotz allem jahrelang die Stützen der Gemeinde gewesen waren. Das genügte ihnen, um die Gemeinde zu verlassen.

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Es gibt eine große Kluft zwischen Leben und Lehre.

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Wieder ein Fall, wo ein Mädchen jahrelang sexuell von einem Bruder ausgenützt wurde. Schließlich faßte sie Mut und berichtete es den Brüdern. Der Betreffende wurde zur Rede gestellt - leugnete aber, und man glaubte dem Mädchen nicht. In dieser Bruderschaft haben immer die Brüder recht !! Dieser Bruder predigt immer noch bei Treffen Gottes Wort, so als ob nichts geschehen wäre ! Das ist kein Einzelfall. Auch in Norwegen geschahen solche Dinge. Eine Schwester, welche die Verhältnisse kennt, sagt, daß, wenn soetwas ans Licht kommt, man nur um Vergebung bitten muß und damit ist die Sache erledigt, und man kann mit der Praxis fortsetzen. "Diese Männer betäuben ihr eigenes Gewissen mit ihrem lauten Geschrei".

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Die Lage der Frauen ist nicht zu beneiden. Die Frau hat die Aufgabe, ihrem Mann untertan zu sein, viele Kinder zu gebären (Verhütung ist verboten) und den Haushalt zu versorgen. Als Zeichen ihrer Unterwürfigkeit unter dem Mann trägt sie bei den Treffen eine Kopfbedeckung und darf nicht predigen. Das Selbstbild dieser Frauen ist nicht besonders hoch. Hier ein Teil eines Zeugnisses einer Schwester: "Auf eine Frau kann man sich nicht verlassen, sie läßt sich von ihren Gefühlen und von ihrer Seele leiten. Mein Mann ist nüchtern und man kann sich auf ihn verlassen. Daher ist das Urteil über die Frauen wahr. Auf eine Frau kann man sich nicht verlassen. Aber Gott hat es so geordnet, daß wir Männer und Brüder haben, auf die wir hören können und müssen".

Alle, welche wir befragten, kannten Geschichten über Brüder, die mit ihrem Töchtern Inzest trieben oder die regelmäßig ihre eigene Frau vergewaltigten. Es gibt viele Schlachtopfer, aber die meisten fürchten sich vor der Schande, an die Öffentlichkeit zu gehen. Das schaffen sie gefühlsmäßig nicht.

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Es kommt jedenfalls nicht weniger oft vor als in anderen Familien und Gemeinschaften, sagt Ruth Postma bestimmt. Es sind mehrere Fälle bekannt. Es kommt, davon, sagt Ruth, daß diese Männer so davon eingenommen sind, was sie im Kopf haben, und nicht davon, was sie fühlen.

Frauen benützen den Piassavabesen, es werden heimlich Pornofilme angesehen, verheiratete Männer haben homosexuelle Beziehungen und es gibt oft Vergewaltigungen in der Ehe. Es ist wie ein Ball, der ständig einem Druck ausgesetzt wird. Der Ball zerspringt und erzeugt das extremste Verhalten in Bezug auf Sex, Drogen und unnatürliche Geistigkeit. Aber über diese Dinge wird eine Decke gebreitet.

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Eine Aussteigerin sagt: Ich lebte wie eine Henne ohne Kopf. Ich wußte nichts von Inzest und Gewalt. Aber wenn ich zurückdenke, wußte ich, daß vieles falsch sein mußte.

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Die Bruderschaft sucht keine Kontakte außerhalb der Gruppe, um nicht in die Welt hineingezogen zu werden. Weil sie so geschlossen ist, kommt wenig von der Verrücktheit ans Tageslicht. Und man bewahrt eine schöne Fassade.

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Es ist ungeheuer schwierig, die Sekte zu verlassen, weil man dann völlig isoliert ist. Freunde und Verwandte wenden sich von einem ab. Das ist schrecklich, seufzt Ruth Postma.

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Leserbrief in der Zeitung "Trouw", Oktober 1994:

Als ehemaliges Mitglied der "Norwegischen Brüder" antworte ich auf den kritischen Bericht in "Trouw" vom 24.10., betreffend diese Gruppe. Ich habe durch viele Brüder Gottes Segen erfahren, aber diese frühere Oase wurde in einen Hexenkessel verändert. Jugendgruppen mit den Namen "Kommandogruppe", "Feuerlöscher" und neuestens "Krokodile" haben die Jagd auf den Verstand und auf die Gefühle aufgenommen, die man töten muß. Die Jugend wird manipuliert und aufgehetzt. Die, welche die Leiterschaft von Kåre Smith nicht bedingungslos akzeptieren und sich ihm nicht beugen wollen, müssen 'hinausgefroren' und als Antichristliche zur Seite geschoben werden. Seit dem Pfingstjugendtreffen bei Delden muß selbst das Gewissen getötet werden. Keiner der niederländischen Leiter wagt dagegen aufzutreten, da er um seine Position und um den Verlust seines Amtes fürchtet. Das uralte falsche Spiel um Macht, Geld und Besitz geht von Norwegen aus als mitleidslose, geschickte Aktion, gut getarnt. Die Menschen werden blind gemacht - durch eine intensive Belehrung, nicht zu urteilen. Ein angesehener Jugendleiter, der jahrelang Hurerei verübte, ermahnte uns ständig, wir sollten uns nicht in andere Dinge einmischen. Nun verstehen wir deutlich, warum diese Wiederholung nötig war ! Es gab also viel zu verbergen !

Erwachsene Männer und Frauen stehen bei den Treffen auf und schreien und äffen einander nach wie Papageien. Das gleiche Thema wird bis ins Unendliche eingehämmert: "Tötet die Werke des Leibes": Diese Einseitigkeit ist nicht mit dem phantastischen, vielseitigen Wesen Gottes vereinbar. Der Sozialminister und die Leute von der Fürsorge hätten in Delden dabei sein und ein Wort der Wahrheit mit den Leitern reden sollen - welche diese neue Kultur an ihren Heimatorten zulassen. Solche Angriffe auf das menschliche Nervensystem sollten verboten werden, denn es entstehen psychische und physische Schäden.

Zivilingenieur F. Oord, Almere

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Ich glaube wirklich, daß es sich bei den N. B. um Machtmißbrauch dreht - so wie in einigen Kirchen. Ich weiß, daß sexuelle Übergriffe vorkommen - aber weniger als in der Kirche. Ich glaube, daß die meisten reine Absichten haben, aber sie haben eine falsche Sicht der Bibel, in der Jesus und sein Erlösungswerk zuschanden gemacht wurden. Die Zeit, die ich in dieser Bruderschaft verbracht habe, waren schwierige Jahre für mich. Jedoch habe ich dort aufrichtige Christen getroffen. Sie sollten nicht "über den selben Kamm geschoren werden".

S. Koning, Capelle a/d Yssel

Übersetzung : Friedrich Griess