Aus Cultic Studies Review, Vol 2, Nr. 1, 2003: Bewußtseinsmanipulation [Mind control]

Ruf nach einer APA Arbeitsgruppe

Bei einer Podiumsdiskussion mit dem Titel "Kulte des Hasses", abgehalten beim jüngsten Konvent der American Psychological Association in Chicago, baten ehemalige Kultmitglieder und andere Experten die APA, eine Arbeitsgruppe zu bilden, um "Bewußtseinsmanipulation in destruktiven Kulten" zu untersuchen.

Podiumsmitglied Alan Scheflin, Professor des Rechts an der Universität Santa Clara, sagte daß "extreme Beeinflussung [z.B. Bewußtseinsmanipulation in Kulten] im Bereich der Psychologie brach gelegen" sei, und "Gehirnwäsche", wie es gewöhnlich in den Medien genannt wird, von vielen Psychologen oft als "Science Fiction" angesehen werde. Ein Ergebnis davon sei, daß Kulte Techniken der Bewußtseinsmanipulation ungestraft benützen könnten, während die Opfer keine Behandlung erhielten.

Tatsächlich, betonte Scheflin, könnten Psychologen, die Leute behandeln, welche sagen, Opfer der Bewußtseinsmanipulation zu sein, wegen eines Kunstfehlers belangt werden, weil es "keine gesetzlich zugelassenen Behandlungen gibt, die wissenschaftlich erprobt sind und in Fachzeitschriften aufscheinen, obwohl sie klinisch wirkungsvoll sind. Deshalb sind sie [die Therapeuten] gerichtlich anfechtbar. Das muß aufhören."

Andere Podiumsteilnehmer, die über die Natur und die Effekte der Bewußtseinsmanipulation sowie über gesetzlich zugelassenen Behandlungsmethoden für die Opfer sprachen, waren u.a. Deborah Leyton, die dem Massaker von Jonestown entkommen war, Steve Hassan, ehemaliges Kultmitglied und konzessionierter Berater für mentale Gesundheit, und Stephen J. Morgan, Fakultätsmitglied der American Management Association / Management Centre Europe in Brüssel, Belgien.

1986 bildete eine Gruppe von Psychologen eine Arbeitsgruppe über "Deceptive and Indirect Methods of Persuasion and Control" [Täuschende und indirekte Methoden der Überredung und Kontrolle] und unterbreitete der APA einen Bericht. Die Vereinigung wies diesen wegen fehlender wissenschaftlicher Evidenz zurück und weil er zu sehr auf Sensationsberichten beruhe und zu wenig Information enthalte, um der APA eine Stellungnahme zu ermöglichen. Aber Scheflin beharrt darauf, daß die im letzten Jahrhundert entwickelte Evidenz zeige, daß Bewußtseinsmanipulation ein berechtigtes Studienfeld sei und Psychologen es als solches behandeln sollten.

Stephen Morgan, in den Achtzigerjahren Führer in einem politischen Kult, sagte: "Wir müssen die Erfahrungen der Podiumsteilnehmer mit Ihrer [der Psychologen] Fachkenntnis zusammenbringen. Es ist eine Frage unserer Gesundheit und Sicherheit als Nation."

(Melissa Dittmann, APA Monitor, Vol. 33, No. 10, November 2002, Internet - abgedruckt in dieser Ausgabe von Cultic Studies Review.)

Psychologische Realität oder geistlose Rhetorik?

[Der Präsident der American Psychology Association (APA) Philip Zimbardo, Professor in Stanford, schreibt über] "eine faszinierende Sitzung" bei der heurigen Jahreskonvention der APA, von ehemaligen Kultmitgliedern gestaltet. "Sie baten die APA, eine Arbeitsgruppe bezüglich "extremer Einflußformen, einschließlich des Rekrutierens von Terroristen, destruktiver Kulte (im Gegensatz zu neuen religiösen Bewegungen), soziopolitischer 'Therapie'-Kulte und menschlicher 'Verformbarkeit oder Widerstandskraft bei Konfrontation mit autoritärer Macht' zu bilden".

Dieser Vorschlag ist "interessant" [schreibt Zimbardo], aber er führt zu drei Fragen: "Stellt die Aufdeckung des destruktiven Einflusses von Kulten das Prinzip der Religionsfreiheit derer in Frage, die sich 'bewußt' nichttraditionellen religiösen Gruppen anschließen? Wenn Organisationen, die religiöse Fragen oder Fragen der Selbstverwirklichung propagieren, reich und mächtig werden, um durch Druck auf die Medien kritische Berichterstattung zu verhindern, Gerichtsentscheidungen zu beeinflussen oder die Psychologie in Mißkredit zu bringen, wie kann man dagegen angehen? Was ist die Rolle der APA bei der Erstellung von Grundsätzen für die Behandlung jener, die behaupten, Mißbrauch durch Kulte erlitten zu haben, für die Ausbildung von Therapeuten, um geeignete Behandlungen anzubieten, und für die Erstellung von Richtlinien für Expertengutachten?

Indem er feststellt, daß die Förderung menschlicher Freiheit ein grundlegender Wert des Psychologenberufs sei, definiert Zimbardo die Bewußtseinsmanipulation als "den Prozeß, durch den individuelle Wahl- und Handlungsfreiheit durch Urheber oder Mittel beeinträchtigt wird, welche Wahrnehmung, Motivation, Affekt, Erkennen und/oder Verhalten verändern oder verzerren. Dies ist weder magisch noch mystisch", sagt er, "sondern ein Prozeß, der eine Anzahl grundlegender sozialer psychologischer Prinzipien involviert."

Diese "Mengen von sozialen Einflußgrößen" enthalten zufolge Zimbardo "Konformismus, Willfährigkeit, Überredung, Dissonanz, Schuldkomplexe, Formung und Identifikation", und er weist darauf hin, daß sie alle in psychologischen Experimenten und Feldstudien "gründlich untersucht" wurden. Darüber hinaus fügt er hinzu, daß sie in gewissen Kombinationen "einen mächtigen Schmelztiegel von extremer mentaler und verhaltensmäßiger Manipulation bilden, wenn sie mit mehreren anderen Realweltfaktoren wie charismatischen autoritären Leitern, dominanten Ideologien, sozialer Isolation, physischer Schwächung, induzierten Phobien und extremen Drohungen oder versprochenen Vergünstigungen, die typisch täuschend orchestriert sind, über einen längeren Zeitraum hinweg kombiniert und intensiv angewendet werden." Zimbardo fügt hinzu, Tatsachenmaterial der Sozialwissenschaft zeige, daß Bewußtseinsmanipulation, wenn sie systematisch durch staatliche Polizei, das Militär oder Kulte angewendet wird, "falsche Bekenntnisse hervorrufen und Bekehrte erzeugen kann, welche 'erfundene Feinde' foltern oder töten, unermüdlich arbeiten und ihr Geld und sogar ihr Leben für 'die Sache' opfern werden".

Zimbardo meint, der eigentliche Kernpunkt der Kontroverse über die Existenz von Bewußtseinsmanipulation sei der Glaube, Leute könnten "der Macht solcher Situationskräfte widerstehen." Aber er merkt in seinem Beitrag an, es gebe "reichlich Beispiele dafür, welche diese Zuschreibung von Kraft an die Person in Frage stellen", und er zitiert historische Beispiele, welche diese Annahme Lügen strafen, von Stalins Moskauer Schauprozessen und dem chinesische Gedankenreformprogramm während der Zeit des Koreakrieges bis zu verschiedenen CIA-Projekten und dem "überzeugenden Befehl des . . . Kultführers des Tempel des Volkes, Jim Jones". Außerdem sagt er, die Macht von sozialen Institutionen, "verändertes Ich"-Verhalten sogar bei den besten und gescheitesten Leuten zu erzeugen", sei experimentell nachgewiesen worden.

Abschließen schreibt Zimbardo, "das Verstehen von Situationsmacht ist wesentlich, um zu lernen, wie man ihr widerstehen und wie man die Vorherrschaft der vielen Mittel der Bewußtseinsmanipulation entkräften kann, die ihr Geschäft täglich hinter verschiedenen Gesichtern und Fassaden mit uns allen betreibt." (Philip G. Zimbardo, APA Monitor, Internet, Vol. 33, No. 10, November 2003 - abgedruckt in dieser Ausgabe der CSR.).

Übersetzt aus www.culticstudiesreview.org mit Erlaubnis des Herausgebers durch Friedrich Griess. Etwaige Übersetzungsfehler obliegen nicht der Verantwortung von Cultic Studies Review oder ihres Herausgebers, der American Family Foundation.