Dagens kronikk, Donnerstag 3. Oktober 1996:

Smiths Freunde, die Versöhnung und die Rechtfertigung

Von Alf Gjøsund,. Mjøndalen.

Die norwegische Bewegung "Smiths Freunde" (S.F.) ist in wechselnden Intervallen in den Medien erwähnt worden, in den letzten Jahren in Verbindung mit einer kleineren Spaltung, die 1991-92 stattfand. Dies gab einen kleinen Einblick in die ansonsten so geschlossene Glaubensgemeinschaft, jedoch ohne an die Fragen zu rühren, welche für Außenstehende, die sich von der Bewegung ein Bild machen wollen, die größte Relevanz haben. In letzter Zeit hat jedoch die Debatte eine höchst interessante Wendung genommen. Immer mehrere diskutieren (wenn auch etwas unwillig) die theologischen Grundlagen der S.F., gesehen im Verhältnis zur Bibel und zu anderen Glaubensgemeinschaften. Die Debatte sollte auch externes Interesse wecken, da die Bewegung dabei ist, sich zu vergrößern; mit der heutigen Zuwachsrate wird sie innerhalb von 40 Jahren 250.000 Mitglieder zählen (Journalist K.A. Bratli). Ich möchte hier auf einige der zentralen Lehrsätze der S.F. hinweisen, zeigen, welche Bedeutung die S.F. selbst ihnen beilegen, und außerdem den Debattenbeitrag ihres Pressesprechers Svein Kronstad vom 6. September in "Dagen" erwidern.

Das Versöhnungswerk

Der Gründer der S.F., Johan Oskar Smith, hat seinen Hintergrund in der Methodistenkirche bzw. Pfingsterweckung. Daher ist normalerweise anzunehmen, daß sein Ausgangspunkt die allgemeine christliche Lehre über das Versöhnungswerk war. Viel in seinen Schriften deutet darauf hin, daß er davon selbst überzeugt war, er polemisierte zum Beispiel niemals direkt gegen die traditionelle Auffassung von der Versöhnung. Er berührte überhaupt äußerst selten diese Botschaft und faßte sie im besten Fall als Anfängergrundlage / Muttermilch auf. Hier kann man mit Recht einwenden, daß das Neue Testament (N.T.) ja voll von direkten und indirekten Beschreibungen von und Hinweisen auf dieses Werk ist; ein evangelischer Prediger kann dies in seiner Verkündigung nicht gut übergehen. Das bedeutet, daß wir guten Grund für den Verdacht finden, daß in der Sicht der S.F. von der Versöhnung etwas nicht in Ordnung ist.

Was ist also die Ursache dafür, daß J.O. Smiths Übergehen des Versöhnungswerkes in seiner Verkündigung für alle Verkündiger bei den S.F. tonangebend wurde ? Bei einem gründlichen Durchgehen der "Bekenntnisschriften" der Bewegung tritt deutlich hervor, daß Jesu Tod auf Golgotha hier eine sehr begrenzte Bedeutung hat. Das Hervortretende und Wichtige bei Jesus war die einzigartige Theorie, daß Jesus die gefallene menschliche Fleischesnatur geerbt hat und daß er durch einen inneren Kreuzigungsprozeß, der sein ganzes Leben lang dauerte, mit diesem Fleisch in sich selbst (der "Wurzel der Sünde") reinen Tisch machte. Als Beweis dafür führte J.O. Smith eine Reihe von Schriftstellen an, welche evangelische Christen ohne Weiteres mit dem Versöhnungswerk verbinden werden, z.B. Röm 8,3, 2 Kor 5,21, Phil 2,8, Hebr 2,14-17 und 1 Petr 3,18. Der Schlüssel zum Verständnis von Christi Erlösungswerk war Smith zufolge, daß man in solche Verse hineininterpretierte, daß "Jesus durch den Geist seine innewohnende Sünde tötete:" Auch ein so klares Schriftwort wie Kol 1,20-22, wo Paulus über die Versöhnung in Jesu Blut spricht, wird in den Schriften der S.F. von diesem Modell aus erklärt.

Eine andere Annäherungsmöglichkeit sind die Opfer und Tempeldienste des alten Bundes. Zur Erklärung dieser Dinge wenden die S.F. den selben Schlüssel an: die Opfer des Alten Testaments (A.T.) waren ein Bild dafür, daß Jesus seine innewohnende Sünde tötete. Im Buch "Så stor en frelse" ("So ein großes Heil") gibt der langjährige Leiter der S.F. Sigurd Bratlie eine detaillierte Auslegung dafür. Hier erklärt er, daß Jesu Opfer für die Sünder sein "Sündenleib" war: er gab im Laufe seines Leben eine Unzahl solcher Opfer, was zu einem "Todes- und Lebendigmachungsprozeß" in seinem Leben führte. (Bratlie muß dabei notwendigerweise die klaren Worte des Hebräerbriefes übersehen haben, daß Jesus erst, als er vollendet war, seinen Leib als Opfer für unsere Sünden gab, etwas, worauf der Verfasser den derzeitigen Leiter der S.F. Kåre J. Smith aufmerksam gemacht hat, ohne darauf eine Antwort zu erhalten). Jesu Blut wird das "Blut des eigenen Lebens" genannt, damit meint man das Blut, das floß, als sein Sündenleib (Bratlie zufolge war der Sündenleib identisch mit dem Schuldopfer im A.T.) starb. Im Laufe seines Lebens ging er den ("langen) Weg durch den "Vorhang" (Bratlie zufolge wieder ein Bild für "Jesu Sündenleib") und hinein ins Heiligtum mit dem "Blut des eigenen Lebens".

Die meisten Christen mit einigen Kenntnissen von Gottes Wort werden sofort sehen, daß dies ein Versöhnungswerk ist, das einen ganz anderen Inhalt bekommen hat. Dies ist jedoch für Mitglieder der S.F. schwierig zu entdecken, die oft keine andere Erklärung für Jesu Opfer für die Sünden kennen als ihre eigene. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, daß der Pressesprecher S. Kronstad es als "unglaublich, um es schön zu sagen" bezeichnet, daß jemand bestreitet, daß sie an Jesu Sühnetod auf Golgotha glauben.

Es ist richtig, daß niemand bei den S.F. die historische Tatsache bestreitet, daß Jesus auf Golgotha starb. Sehr viele werden jedoch darin einig sein, daß sie durch dieses Werk die Vergebung der "begangenen Sünden" erhalten haben, obwohl Worte wie Math 26,28 für dieses Verständnis Probleme geschaffen haben. (Wie erwähnt bedeutet Jesu Blut bei den S.F. "Blut des eigenen Lebens").

Sobald man die eigentliche Bedeutung des Versöhnungswerkes, den Loskauf, die Befreiung, das Urteil über den Teufel und den alten Menschen, Jesu Sühnopfer usw. beschreibt, wird jedoch klar, daß die S.F. auf einer anderen Grundlage als die ganze übrige Christenheit stehen. Es ist verwunderlich, daß die S.F. dies so beharrlich zurückweisen, ohne jedoch tiefer in das Thema einsteigen zu wollen. Kronstad und die übrigen Leiter der S.F. müßten einsehen, daß es faktisch die Lehrsätze der S.F. sind, die Zweifel bezüglich ihrer Ansicht über die Versöhnung erzeugen, und müßten die Sache auf der Grundlage jener Information diskutieren, die wir in ihren Schriften finden. Andeutungen wie "weil wir in unserer Verkündigung so großes Gewicht auf den Sieg über die bewußte Sünde legen, gibt es viele, die uns mißverstehen" (S. Kronstad) haben in dieser Diskussion nichts verloren. Es dreht sich nicht in erster Linie um "Sieg über die bewußte Sünde", sondern um die eigentliche Grundlage der Heilsverkündigung.

Es ist außerdem etwas merkwürdig, daß die Botschaft, dessen Verkündigung frühere Leiter der S.F. als ein Privilegium ansahen, man Kronstad fast nötigen muß zu bekennen. Es sollte indessen möglich sein, auf folgende klare Fragen eine Antwort zu erhalten:

1. Bestreitet Kronstad, daß Jesu Blut in der Verkündigung der S.F. das "Blut des eigenen Lebens" bedeutet (d.h. das Blut der getöteten innewohnenden Sünde) ?

2. Die S.F. sagen wie alle Christen, daß Jesus keine Sünde beging. Distanziert sich Kronstad im Namen der S.F. auch von der Theorie, daß Jesus sogenannte "Werke des Leibes" verrichtete, den S.F. zufolge, vgl. Röm 7,23, Fehltritte, die nicht als Sünde definiert werden, weil sie auf einer unbewußten Ebene liegen ?

3. Distanziert sich Kronstad im Namen der S.F. von der Lehre, daß das Werk auf Golgotha in erster Linie den Höhepunkt in einem lebenslangen Tötungsprozeß darstellt, der sich im Fleische Jesu abspielte ?

Rechtfertigung durch den Glauben

Die S.F. haben sich in letzter Zeit als auf einer Linie mit Luther erklärt, wenn es sich um die Rechtfertigung durch den Glauben allein handelt. Hierin wurden sie u.a. von Dr. theol. Steinar Moe und vom Journalisten K.A. Bratli (dem Verfasser des Buches über die S.F. "Korsets vei" - "Der Weg des Kreuzes") unterstützt. Nun hat es natürlich wenig Wert, sich bezüglich der Rechtfertigungslehre als auf einer Linie mit Luther zu bekennen, wenn man sich im Verständnis der Grundsätze dieser Lehre weit weg sowohl von ihm als auch vom Papst befindet. Dies scheint Steinar Moe übersehen zu haben, wenn er in einem Bericht über die S.F. im Tønsbergs Blad den Schluß zieht, daß die S.F. die Vergebung der Sünden, eine neue Geburt und "damit die Rechtfertigung durch den Glauben alleine" lehren. Mit ihrer speziellen Christologie als Ausgangspunkt ist die Lehre der S.F. jedoch nicht auf den selben Prinzipien begründet, die man gewöhnlich in anderen Kirchengemeinschaften antrifft (auch wenn es klarerweise viele gleiche Züge gibt), man kann solche Schlüsse nicht automatisch ziehen, wie Moe es getan hat. Wir werden später sehen, daß die oberste / einzige Lehrautorität der S.F. in letzter Zeit, Sigurd Bratlie (der ältere), faktisch kein Gleichheitszeichen zwischen Rechtfertigung und Vergebung der Sünden setzt. Was den Journalisten K.A. Bratlie betrifft, so geht aus einem Interview in "Forløsning" ("Erlösung") Nr. 396 ganz klar hervor, daß er keine fachlichen Voraussetzungen dafür hat, die Lehre der S.F. von der Rechtfertigung im Verhältnis zum Lutherprotestantismus zu beurteilen.

S. Kronstad führt eine Reihe von zentralen Schriftstellen als Beweis dafür an, daß die S.F. mit Luther auf einer Linie sind. Diese Verse sind selbstverständlich eine genügend gute Grundlage, um die Rechtfertigung richtig zu verkünden, aber nicht, um zu beweisen, daß man wie Luther lehrt. Es ist ein Faktum, daß auch die katholische Kirche diese Verse anerkennt, ohne jedoch damit mit deren Auslegung durch Luther einig zu sein. Soll man mit Luther auf einer Linie sein, dann muß man zusätzlich zum Zitieren der Schriftstellen sich auch seiner Erklärung des Inhaltes der Rechtfertigung anschließen, z.B. (1) daß Christus an unserer Stelle das Gesetz erfüllte, (2) daß Christi Tod und Auferstehung der Beginn, die Mitte und das Ende all unserer Rechtfertigkeit sind, (3) daß Christus uns diesen Tauschhandel angeboten hat: wir nehmen seine Unschuld von ihm und legen sie auf uns, und (4) daß es bei dem, der an Christus glaubt, (in Gottes Augen) nichts anderes als Leben und Unschuld und nur das gibt (d.h. daß Gott ihn als sündenfrei in Christus betrachtet). Deshalb habe ich folgende Frage: Kann S. Kronstad sich im Namen der S.F. mit diesen vier lutherischen Aussagen einig erklären ? Das Blatt "Forløsning" hatte übrigens in Nr. 496 ein Interview mit dem Leiter des Verlages "Skjulte Skatter" ("Verborgene Schätze"), S. J. Bratlie. Er konnte sich hierin nicht mit Luther als einig erklären und hatte große Probleme, zu erklären, wie er gleichzeitig öffentlich behaupten konnte, mit ihm bezüglich der Rechtfertigung auf der gleichen Linie zu sein.

Übrigens hat Sigurd Bratlie (der Ältere) bei wiederholten Gelegenheiten sich über diese Sache ausgesprochen. In einer Rede (übrigens stenographiert und öffentlich von den S.F. herausgegeben) sagt er über die seiner Meinung nach falschen Christen: "Sie rechnen daher so, daß, wenn wir an Jesus glauben, uns seine Rechtfertigheit angerechnet wird - nicht so, daß wir rechtfertig würden, nein - aber daß Gott uns durch Jesus als vollkommen ansieht. Wenn wir also an ihn glauben, der auf Golgotha starb, dann sind wir in ihm vollkommen. Deshalb haben sie für Gehorsam keinen Platz". Hier führt Bratlie die Rechtfertigungslehre, die zum Verwechseln gleich der lutherischen ist, als Ursache dafür an, daß falsche Christen keinen Platz für Gehorsam (Gott gegenüber ) haben. Was, meint also Sigurd Bratlie, ist die richtige Rechtfertigungslehre ? Das beschreibt er im Buch "Guds evangelium" ("Gottes Evangelium") . Hier sagt er, daß die Rechtfertigheit des Glaubens und die Vergebung der Sünden zwei verschiedene Dinge sind (S.31). Die Rechtfertigheit des Glaubens kommt mit der Wanderung im Glauben und wird mit der Handlung verknüpft, die Gott in uns vollführen soll. Richtigerweise wird diese uns von vornherein zugeeignet, aber so, wie einem Lehrjungen die Fertigkeiten seines Meistern von vornherein zugeeignet werden, weil es nur eine Frage der Zeit ist, bis er sie sich selbst aneignet (S. 46 - 47).

Hier finden wir also eine Rechtfertigungslehre, die in der Tat mehr katholisch als lutherisch ist. Doch bleibt der Abstand groß, auch zu den Katholiken, wenn Bratlie auf der nächsten Seite die spezielle Theorie der S.F. erklärt, daß Jesus "die Lüste und das Begehren vernichtete, die er im Fleisch hatte", als Grundlage für die ganze Rechtfertigungslehre. Wir sehen, daß, wenn auch die S.F. einzelne Male erklären können, daß man bei der Bekehrung die "Rechtfertigung" zugeeignet bekommt, der Begriff selbst jedoch bei ihnen einen Inhalt hat, von dem man nicht seinesgleichen in der protestantischen Kirchenfamilie findet.

Es ist übrigens für Außenstehende sehr schwierig, einen Überblick über die Lehre der S.F. zu erhalten, und höchst verständlich, daß Dr. theol. Steinar Moe wesentliche Punkte übersehen hat. Es ist übrigens auch verständlich, daß die S.F. nun wünschen, mit der reformatorischen Theologie verbunden zu werden, doch kann man dies nicht tun, ohne daß man mit der großen Zahl von abweichenden und einander widersprechenden Theorien aufräumt.

Man hat jedoch bei den S.F. eine schwierige Tradition, betreffend die Ansicht über die "Unfehlbarkeit der Lehre". Vor erst wenigen Jahren erklärte Arild Tombre, ein anderer wichtiger Leiter bei den S.F., auf bestem Platz in "Skjulte Skatter" ("Verborgene Schätze"), daß die "Lehre der Brüder" unfehlbar sei und niemals jemand daran rütteln könne. Nichts kann sich bei den S.F. verändern, wie sehr man dies auch wünsche, wenn man nicht zuerst dieses Prinzip verläßt.

Verhältnis zu anderen Christen

Es wäre für die S.F. nützlich, wenn sie bezüglich ihres Verhältnisses zu anderen Christen ein weicheres Profil bekämen. S. Kronstad meint, daß dies bereits der Fall sei, und weist darauf hin, daß mehrere Jahrgänge der "Skjulte Skatter" Beiträge von bekannten christlichen Verfassern enthalten. Das ist wohl richtig, aber man verwendete erstens fast nur Artikel, welche das aktive Mitwirken des Menschen bei seiner Heiligung behandeln. Der Abstand zwischen J. O. Smith und diesen evangelischen Verfassern z.B. in den Ansichten über Jesu Fleisch, Blut und Opfer für die Sünden wird verschwiegen. Zweitens hörte diese Verwendung von anderen Verfassern sehr bald auf. Sobald man das Blatt mit Beiträgen von Anhängern der eigenen Lehre von Smith füllen konnte, waren die Offenbarungen anderer Christen deutlich nicht mehr so wertvoll. Wenn Kronstad die Verwendung anderer Verfasser als Beweis für ihre Anerkennung als "die, welche gottesfürchtig leben wollen", anführt, sagt er, daß diese Anerkennung im besten Fall in der ersten Zeit der Gemeinde vorhanden war. Es ist nämlich schon sehr lange her, seitdem man in "Skjulte Skatter" zuletzt einen Beitrag eines außenstehenden Verfassers lesen konnte, was auch der amerikanische Religionsforscher L.D. Streiker in seiner Notiz: "The Truth about Smiths Friends" feststellt.

Es gibt bei den S.F. zweifellos viele aufrichtige Menschen, die Jesus folgen wollen. Diese können mit ihrem konservativen Ausgangspunkt der ganzen norwegischen Christenheit positive Impulse geben. Aber nur, wenn sie sich um 180 Grad umwenden, alle Lehrsätze über Jesu Fleisch, Blut und Opfer einer Revision unterziehen und zum Evangelium zurückkehren, das die Grundfeste für die Diener Gottes bildete, deren Namen S. Kronstad abschließend erwähnte: Hauge, Luther, Booth, Finney, Moody, Torrey, Murray, Penn-Lewis, Tersteegen und Petander.

Übersetzung: Friedrich Griess