Ansprache von Pastor Audun Erdal beim Seminar der Ex-Smiths-Freunde am 16. August 1997 im Træleborg Kafé og Konferansesenter, Tønsberg.

Audun Erdal wurde 1985 in der Norwegischen Kirche zum Priester ordiniert. Im Jahre 1984 verfaßte er seine Diplomarbeit über die norwegische Sekte "Smiths Freunde". Die folgende Übersetzung seiner Ansprache wurde von Friedrich Griess nach der norwegischen Tonbandaufnahme erstellt.

Ich möchte zunächst gerne sagen: Danke für die Einladung. Ich freute mich, daß es euch gelang, meine Telefonnummer weit unten in Belgien herauszufinden und mir von diesem Seminar zu erzählen, und ich dachte sofort: Da will ich dabei sein. Warum ? Ja, nicht weil ich meine, selbst so besonders viel dazu beitragen zu können, aber ich wollte euch gerne treffen, mit euch sprechen, eure Zeugnisse hören, und es ist ein wichtiger Prozeß, ein langer Prozeß, der nun in Gang gekommen ist. Es wird die Gelegenheit zu einer Menge Fragen und Antworten unterwegs im Laufes dieses Tages geben, und ich möchte meinerseits eine Anzahl einfacher Linien und Striche ziehen, wie ich es gesehen habe und wie meine Erlebnisse als Außenstehender waren.

Ich wurde 1985 in der Norwegischen Kirche zum Priester ordiniert und war 10 Jahre lang Priester in der örtlichen Gemeinde in Kristiansand, bevor ich nun vor zwei Jahren zur Seemannskirche in Antwerpen übersiedelte. Über meinen Hintergrund: Ich war niemals Mitglied der Smiths Freunde, aber ich begann in einer neuen Volksschule in Stavanger als 5.-Klaßler und kam dort hinein, und der Klassenvorstand war ein Smiths Freund. Wir sahen es an der Frisur, und nach und nach verstanden wir, wie "christlich" dieser Lehrer war. Aber was wir Schüler nicht wußten, war, warum dieser Lehrer uns in Christentum unterrichten durfte. In dieser Zeit mußte man Angehöriger einer lutherischen Kirchengemeinschaft sein, um Christentum unterrichten zu dürfen. Er war soweit ein guter Lehrer und tüchtiger Pädagoge, aber schon damals wurde meine Neugierde geweckt. Mit der Zeit bekam ich Schulfreunde, sah Kinder in der Nachbarschaft, und es erhoben sich unglaublich viele Fragen, u.a. über die, die nicht auf Schulausflüge mitfahren durften, und ich erlebte das Ganze mit Verwunderung. Dann begann ich mit dem Theologiestudium an der Gemeindefakultät und ging sogleich in die Bibliothek, um dort etwas über die Smiths Freunde herauszufinden, und da war absolut nichts. Und als ich eine Abhandlung schreiben sollte, da begann ich selbst zu begreifen: das ist es, womit ich mich beschäftigen sollte, aus eigenem Interesse, aus eigener Neugierde, und ich sollte versuchen, herauszufinden, was die Ursache war, wie es entstand, was sie vertreten, wie sie leben, was sie lehren. Dies wurde mein Einstieg, ein kirchenhistorischer Einstieg. Ich nahm ihre Schriften zur Hand, ich versuchte einzudringen und herauszufinden, was die Smiths Freunde sind, und ich schrieb eine Arbeit. Es war nicht mein Wunsch, eine Abrechnung zu machen, eine dogmatische Abrechnung mit ihnen, sondern die eigene Neugierde zu befriedigen. Für mich war es wichtig, sie kirchengeschichtlich aus ihrem Hintergrund, aus ihrer Zeit, aus ihrem Milieu und aus ihren Voraussetzungen heraus zu verstehen, ich wünschte, ein Bild der Gemeinde zu zeichnen, mit dem sie sich selbst identifizieren konnten und wie sie selbst wünschten, sich zu verstehen. Das liegt soweit zurück wie 1983, und dieses Jahr verwendete ich für die Smiths Freunde.

Ich ging ein- oder zweimal wöchentlich zu den Treffen, war überall dabei, wo ich dabei sein konnte, knüpfte Kontakte auf allen Ebenen in der Gemeinde, war mit bei Festen, wo ich dabei sein konnte, und war draußen im Feld, um zu beobachten. Ich hatte mehrere Kontakte und Gespräche daheim mit Rakel und Sigurd Bratlie, und ich erinnere mich gut an mein erstes Treffen in der Tegelverksgate. Niemand grüßte. Ich hatte damals ziemlich langes Haar und einen großen Bart und fühlte mich wie ein ziemlich fremder Vogel, als ich da hineinkam. Und als der Treffenleiter den Befehl "Gebet" ausgab, so war es wie ein Sog, der alle mitriß, und im nächsten Augenblick lag ich auf den Knien am Boden und dachte: Was in aller Welt geht hier vor sich ? Und ich dachte später, vielleicht haben manche von euch ähnliche Erlebnisse gehabt und ihr versucht sie, in eurem Leben außerhalb der Gemeinde zu erproben.

Eines Sonntagmorgens fuhren wir nach Brunstad, wir hatten das Auto voll von Leuten, die wir zeitlich in der Früh in Oslo abgeholt hatten, und nun fuhren wir nach Brunstad. Und mitten im Zentrum von Oslo war der Fahrer unsicher, wo er fahren sollte, es war eine Einbahnstraße, aber so zeitlich an einem Sonntagmorgen gab es kaum Verkehr, und es waren nicht mehr als 100 bis 150 Meter gegen die Einbahn, also sagte er: "Wir machen eine krumme Tour", und so fuhr er in diese Richtung los. Es dauerte nicht sehr lange, bis ich es einer älteren Schwester aus der Gemeinde gegenüber erwähnte, mit der ich ziemlich gut in Kontakt gekommen war. Und als ich zu ihr sagte: "Als wir da hinunterfuhren, da machte der Fahrer ein krumme Tour", da reagierte sie: sie wandte sich augenblicklich von mir ab und sagte: "Niemand von uns macht eine krumme Tour". Es war, als ob sie sich völlig verschließen und nicht in ihrer Auffassung davon gestört werden wollte, wie die Mitglieder der Gemeinde ihr Leben führten. Es war völlige Panik, wie sie mich korrigierte, das traf mich, wie das gesagt wurde, und seitdem habe ich ziemlich viele ähnliche Situationen erlebt, wo sie so in ihr System eingeschlossen waren, wo es unglaublich schwierig wurde, zuzuhören und sich entsprechend zu verhalten, nicht den mündlichen Aussagen, aber den Erfahrungen der Menschen gegenüber.

Wenn man einen Vergleich mit der heutigen Situation zieht, so muß ich zugeben, daß ich selbst und mit mir viele andere den Büchern von Eva Lundgren gegenüber unglaublich skeptisch waren, wo sie es als ungeheuerliche Wirklichkeit in christlichen Gemeinden vor 10 - 15 Jahren beschreibt, und wo sie beschreibt, daß es Mißbrauch und sexuelle Übergriffe auch in christlichen Kreisen gab. Man kann als Ausgangspunkt gerne eine gesunde Skepsis haben, aber wenn traurige Fakten dokumentiert werden, nützt es nichts, wenn man zurückgezogen dasitzt und so tut, als ob das Unbehagliche nicht stattgefunden hätte.

Ich sagte, ich hatte einen kirchenhistorischen Einstieg, deshalb sah ich mir das Leben und die Schriften des Johan Oscar Smith genau an und las die "Verborgenen Schätze" von Anfang an bis zu allem, was mir unter die Finger kam, und ich kann ja seinen Wunsch und seine Sehnsucht nach dem Sieg über die Sünde verstehen. Wer hat einen solchen Wunsch nicht ? Aber hier trifft das Worts Ibsens zu: "Wo der Ausgangspunkt am verkehrtesten ist, wird gewöhnlich die Antwort am originellsten". J.O. Smith erhielt "neues Licht" und schuf ein ganz neues System. "Jesu Sünde im Fleisch" ist eine Bibelauslegung, mit der die Smiths Freunde auf der Welt alleine dastehen, und daraus folgt eine ganz eigenartige Theologie und ein eigenartiges System. Wenn der verstorbene Sigurd Bratlie zu mir sagen konnte: "Ich habe seit vor dem Krieg nicht gesündigt, und das hat auch meine Frau nicht", so klingt das in meinen Ohren schrecklich, und gleichzeitig offenbart es, welche starke Position diese Leiter offensichtlich in der Gemeinde erhalten müssen. Wenn ein tastender Jugendlicher Predigten und Ermahnungen von solchen Leitern hört, die auf ein solches Niveau aufgestiegen sind, wo sie von aller bewußten Sünde frei sind, während man selbst seine eigene Gebrechlichkeit und Sünde fühlt und dagegen kämpft, ja, da erhalten sie eine kolossal starke manipulierende Stellung. "Jesus geoffenbart im Fleisch" - dieser Ausdruck wird zu einem Schlüsselbegriff der Auslegung für die ganze Schrift. Und man merkt bald - der Brennpunkt verschiebt sich. Ich erhielt den Eindruck, daß man die neutestamentlichen Evangelien, die Schriften in der Verkündigung, links liegenließ, als Sonntagsschul-Lehrstoff, als "geistliche Milch", mit dem man beinahe in der Kindheit fertig wurde, während man jetzt eher ordentliche "feste Nahrung" bevorzugte und diese hauptsächlich aus der Ermahnungsliteratur bezog und diese ganz aus ihrem Zusammenhang riß. Bei mehreren Treffen zählte ich, welche Schriftstellen im Laufe des Treffens vorgelesen wurden, und es waren oft bis zu 30, 35 oder 40, und vielleicht waren eine oder zwei aus den Evangelien entnommen, aber das allermeiste war Ermahnungsstoff, mit dem losgehämmert wurde, und wenig oder nichts aus den Jesus-Erzählungen, aus den Evangeliumsschriften, was Er getan hat und tut und für uns bedeutet. Es war, als ob der Brennpunkt völlig verschoben worden wäre.

Und selbstverständlich merkte ich auch, daß einzelne Schriften und Schriftstellen oft rücksichtslos behandelt wurden, mit wenig Rücksicht darauf, die Dinge in ihrem Zusammenhang zu sehen. Und es wunderte mich auch, daß die Leiter, die in ihrem eigenen Bibelverständnis so gefestigt sein sollten, nicht imstande waren, andere Verständnisse zu lesen und zu sehen, daß sie kein Interesse dafür hatten, und der Gedanke lag ja nahe: Das ist ja vergebliche Mühe, denn bei uns ist alles gut, aber woanders ist nichts gut. Auf der Basisebene der Gemeinde traf ich ja viele stille, nette, feine und gemütliche Menschen, und es sind auch solche, die der Gemeinde ein Profil geben und ihr ein Ansehen nach außen hin verleihen, in der Nachbarschaft und auf dem Arbeitsplatz. Aber mein Eindruck war auch, daß es viele merkwürdige Persönlichkeiten und unfreie Menschen gab, die mit dem Mund lächeln konnten, aber schrecklich traurige Augen hatten.

In dieser Zeit versuchte ich auch, mit einigen Aussteigern in Kontakt zu kommen, aber das war nicht leicht. Es war nicht leicht, diese ausfindig zu machen, denn fragte ich jemand bei den Smiths Freunden, so war es klar, die antworteten "Nein, nein", und die ich ausfindig machen konnte, sagten, daß sie es eigentlich nicht vermochten, darüber zu reden. Es sei nicht wert, darüber ein Wort zu verlieren. So war es deutlich, daß es da viel Trauriges und Unerlöstes gab.

Ein Jahr lang hatte ich also nahe mit der Gemeinde zusammengelebt. Und als ich meine Arbeit abgegeben hatte, hatte ich einen enormen Drang, herauszukommen, frische Luft zu atmen und zu keinem Treffen mehr in die Tegelverksgate oder nach Brunstad zu gehen. Der Drang, Atemraum zu bekommen, war stark. Das können einige von Euch, die Aussteiger sind, mir sicher nachfühlen. Außer daß es fürchterlich langweilig bei den Treffen war, war es auch im höchsten Grad schmerzhaft, dazusitzen und so viel verkehrte Verkündigung zu hören und zu erfahren und all das Krumme zu ahnen, das im Kielwasser darauf folgte. Es war eine Bibelverkündigung, die trotz allem all das enthielt, was die Plattform in meinem Leben ist, aber hier in einer Form und Fasson serviert wurde, die hier entgegenzunehmen hart war. Es war schön, als ich wieder heraußen war.

Ein Gespräch mit Bratlie ein halbes Jahr später war ziemlich merkwürdig, und ich war sehr überrascht. Er lobte meine Arbeit und sagte, die Menschen könnten sich ja bekehren, wenn sie die Abhandlung lasen. Mir schien das ziemlich naiv. Und dann gaben sie selbst ein kleines Heft über die Entstehung und frühere Geschichte der Gemeinde heraus. Nachdem ich meine Arbeit abgeliefert hatte, dauerte es nur einige Monate, und dann hatten sie ihre eigene Darstellung. Es hätte mir viel Arbeit erspart, wenn sie dies etwas früher getan hätten. Aber ich hatte meine eigene Neugierde gestillt, ich war zufrieden und ich hatte die ganze Angelegenheit satt.

Mit Johan Velten kam ich in Kontakt, er hatte meine Arbeit bekommen, und das wurde eine feiner und sehr nützlicher Kontakt. Und so erfuhr ich nach und nach, daß ein enormer Bedarf an Information über die Gemeinde "Smiths Freunde" bestand. Darum schrieb ich einen Artikel für die Zeitschrift "Theologie und Kirche", der in Nr. 2/1987 veröffentlicht wurde. Dieses Heft wird ja an alle Bibliotheken des Landes verteilt, und das bewirkte, daß es viele Anfragen gab. In diesen Artikel hatte ich auch einige Episoden aus dem Leben der Smiths Freunde aufgenommen, die für die Smiths Freunde selbst nicht gerade angenehm zu lesen sind. Ich erhielt also viele Anfragen von Sozialarbeitern, Journalisten, Priestern, Studenten, Einzelpersonen, von Leuten auf der Suche, Leuten, die neugierig waren und sich den Smiths Freunden anschließen wollten, und von verliebten Burschen, die ein Auge auf ein Mädchen von den Smiths Freunden geworfen hatten, oder umgekehrt, von Leuten, die auf irgend eine Weise jemanden bei den Smiths Freunden kannten und eine Geschichte zu erzählen hatten. Hier herrscht Verschwiegenheitspflicht und es handelt sich um einen kleinen überschaubaren Bereich, deshalb werde ich sehr vorsichtig sein. Nach und nach waren es nicht nur Norweger, die anfragten, sondern es kamen auch ziemlich viele Anfragen aus dem Ausland, vor allem auch, als Fritz Griess sich zu rühren begann, in Österreich arbeitete und von dort aus viel Information über die Gemeinde verteilte. Ich glaube, daß ich für meinen Teil, als ich ein vielbeschäftigter Priester in Kristiansand war, mindestens eine Anfrage pro Woche erhielt.

So vergingen einige Jahre, bis ich einmal die Ryenstube aufsuchte. Sie hatten ein neues Lokal in Oslo bekommen, und ich wollte gerne hingehen und es mir ansehen. Ich wurde ja gleich bemerkt, sah sofort, daß die beiden Ältestenbrüder auf dem Podium miteinander flüsterten, und dann kam die Predigt. Ich fühlte mich ja nicht betroffen, aber es war eine Kanonade gegen "religiöse Parteien", die eine und die andere, alles direkt auf mich gemünzt. Aber ich hatte ja alles zusammen viele Male vorher gehört. Nachher kam einer der Leiter zu mir und sagte: "Wenn du etwas über uns schreibst, so mußt du positiv schreiben, denn wir sind gottesfürchtige Menschen. Es spielt für uns überhaupt keine Rolle, aber ich möchte dich nur warnen." Ich fühlte ob einer solchen Drohung einen ekelhaften Druck im Magen: Kritik, ja, die wird zu einem Urteil über mich selbst, denn die Smiths Freunde sind gottesfürchtige Menschen und haben Gott vollständig auf ihrer Seite. Eine solches Schwarz-Weiß-Denken und eine solche Machtarroganz habe ich nirgendwo anders erlebt. Drohungen mit Verdammung, Hölle, Verfluchung sind schweres Geschütz und erzeugen viel Angst und halten die Leute nieder. Es ist schwer, den Kampf dagegen aufzunehmen. Kritische Fragen in der Gemeinde sind ja Ausdruck von Unglauben, und diese Art von Versuchung ist man ja gewohnt und dazu erzogen, sie schon früh auf der Ebene der Gedanken zu ersticken und zurückzuschlagen.

In der Wochenzeitschrift "Hjemmet" stand vor einigen Jahren eine Episode und ein Zeugnis einer ehemaligen Smiths Freundin. Sie ging aus Protest ins Kino und erzählt, daß sie, während sie dort im Saal saß, mehr und mehr überzeugt wurde: "Nun kommt Jesus wieder, und da wird er unser ganzes Volk abholen, und das war es ja, worauf wir warteten." In der Mitte des Filmes läuft sie auf die Straße hinaus. Es regnet, es stürmt draußen, und kein Mensch ist draußen zu sehen. Und der Gedanke ist naheliegend: "Gott hat mich gestraft". In der Todesangst, in der sie sich befindet: "Alle wurden mitgenommen, sie allein blieb zurück. Gott hatte die Gemeinde geholt, während sie im Kino war." Völlig gelähmt und in Panik.

Man kommt in die Gemeinde, und die Ermahnungen werden losgehämmert, wieder und wieder, als Gottes Forderungen, und ich verstehe fast nicht, daß es möglich ist, ein solches Gottesbild zu schaffen.. Und die Zeugnisse, die nach den Ansprachen folgen, in denen immer wieder ausgedrückt wird, wie herrlich die Verkündigung war, und über die eigene Gebrechlichkeit und den Willen, zu kämpfen und zu streiten - mir scheint, es ist das gleiche, wieder und wieder. Und Kritik - es wurde nie über das biblische Prinzip gesprochen, sie mit Wohlwollen entgegenzunehmen, dann aber selbst zu prüfen. Ein selbständiger kritischer Verstand wird ja geschwächt und jeder Oppositionsgedanke wird niedergeschlagen, und alles wird wie ein Bummerang-Effekt: die Furcht vor der Verurteilung, man frißt es in sich hinein, und sollte jemand Fragen stellen, so plagen ihn ja Zweifel oder zeigen, wie dumm und klein er selbst gedacht hat. Mir scheint, das ist erschreckend.

Und im Grunde handelt es sich ja die ganze Zeit um Schlagworte, mit denen man aufgewachsen ist, von der Type: "Selig sind die Jugendlichen, die ihr Heim mit einem gebrochenen Eigenwillen verlassen", oder: "Gründe dich durch und durch auf geringe Gedanken von dir selbst". Ja, das ist erschreckend, und ihr könnt sicher viel darüber erzählen, was sie mit euch gemacht haben. Mit solchen Schülern, das ist klar, haben die Machtpersonen in der Leitung ein unglaublich leichtes Spiel, und sie spielen auch auf der Unsicherheit. Und es gibt ja wenig schriftliche Regeln, aber man sieht aufeinander und handelt wie die anderen, und es gilt, um jeden Preis nicht aufzufallen. Ich möchte sagen: Einheit ohne Vielfalt, ja, das wird zur Tyrannei. Und es gibt ja innerhalb starke Bande, Familien- und Freundschaftsbande, wo das ganze Leben sich um die Gemeinde gedreht hat. Aber es wundert mich auch, wie das alles innerhalb wird, und daß das Ganze sehr selbstzentriert und verborgen wird, und wieviel Kraft und Energie dazu gebraucht wird, keine Sünde zu begehen und dies und das zu unterlassen, so viel Angst, etwas falsch zu machen, daß man schließlich gar nichts zustandebringt. Nach außen gerichtete Liebe, scheint mir, erhält sehr wenig Platz, über Unterlassungssünden ist es wohl schwierig zu sprechen, ebenso über das Wort des Meisters: "Was ihr dem Geringsten meiner Brüder nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan". Es entsteht eine Schwarz-Weiß-Zeichnung der ganzen Wirklichkeit, und man beschäftigt sich wieder und wieder mit einer Weißmalung seiner selbst, ohne zu begreifen, daß man selbst Hochmutsgedanken hat, mit einer Schwarzmalung anderer, also ein Glanzbild und ein Zerrbild. Und es scheint mir, daß es oft dazu kommt, daß der Zweck die Mittel heiligt. Und ich glaube, daß viele Einzelpersonen viel leiden mußten, um nicht die Gemeinde anzuschwärzen, um die Gemeinde "rein und unbefleckt" zu erhalten.

Die Gemeinde ist heute eine sehr internationale Bewegung, und es wundert mich eigentlich auf gewisse Weise, daß sie in so vielen Teilen der Welt Fuß fassen konnte. "Wir leben den Glauben, wir leben den Glauben aus und haben ein sieghaftes Leben", können die Smiths Freunde nach außen hin verkünden. "Kommt nach Norwegen und seht, wie wir leben". Eine starke Idyllisierung. Und sie lieben es zu sagen: "Bei uns gibt es ja nur glückliche Familien ohne Scheidung, keine Spaltung, volle Freiheit usw. usw." Die Realität kennt ihr, und ihr kennt die Entwicklung der letzten Jahre viel besser als ich. Menschliche Schwäche hat hier wie auch sonst überall zu Ausschweifungen und Verfall geführt, und zwar auf den gleichen menschlichen Gebieten: Macht, Geld und Sex. Es gibt keineswegs weniger Selbstmorde und psychische Probleme bei den Smiths Freunden als in anderen Milieus, ich möchte eher sagen, ganz im Gegenteil. Vor kurzem wurde ein 54 Jahre alter Niederländer für Unzucht mit rund 30 Knaben verurteilt, ein Familienvater mit einer großen Kinderzahl, er war Religionslehrer, und das fand in Perioden während 18 Jahren statt, während er die ganze Zeit über in seiner lokalen Gemeinde in Holland einen zentralen Platz einnahm.

Von einer kirchenhistorischen Perspektive aus ist die Gemeinde "Smiths Freunde" der einzige norwegische Beitrag und Zuschuß zur weltweiten Kirchen- und Konfessionsentwicklung, und ich meine, es gibt wenig Grund, darauf stolz zu sein, und ich gräme mich darüber, daß man die Freunde in den deutschsprachigen Ländern "Die Norweger" nennt, oder wie bei uns in den Niederlanden und in Belgien "Die Norwegischen Brüder".

Ihr, die ihr in der Gemeinde aufgewachsen seid und total engagiert wart, steht nun in einem langdauernden und harten Prozeß, mit Leerräumen und Löchern, mit wenig Netzwerk, aber ich hoffe für euch, daß ihr Fortschritte macht, daß es besser und besser geht, unterwegs zu einer frohen und gesunden Lebensentfaltung. Danke für diese Initiative, die ihr heute hier unternommen habt. Ich wünsche euch Glück für euren weiteren Lebensweg!