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Deine Freunde und meine Freunde ...

Kirche und Weltanschauung: Die Empfehlungen der christlichen Gemeinschaft, alle die herzlichen Einladungen, wirken oft sehr ausschließend, schreibt Trond Skard Dokka.

Smith hat viele Freunde. Aber Smith und die Smiths Freunde haben auch viele Nicht-Freunde. So seltsam ist dies im Grunde nicht. Dies gehört zum Wesen der Freundschaft. Was einer Gruppe nach innen hin gemeinsam ist, dies trägt ja auch dazu bei, sie von anderen zu unterscheiden. Freunde sind immer von Leuten umgeben, die nicht zu den Freunden gehören. Alle einschließen zu wollen bedeutet in der Praxis, einen Freundeskreis in Nichts aufzulösen. Daher benötigt jeder Freundeskreis, auf jeden Fall, soweit mir bekannt ist, Außenstehende. Wie stark man die Grenze nach außen hin zieht, kann natürlich variieren, ebenso, wie man die Außenstehenden sieht und behandelt. Es muß nicht von Feindschaft die Rede sein. Aber den Umstand, daß es eine Grenze zwischen innen und außen gibt, kann man nicht vermeiden. Daher kann man auch nicht vermeiden, daß es immer mindestens zwei Bilder jedes Freundeskreises gibt, eines von innen her und eines von außen her gesehen. Alle Erfahrung zeigt, daß die Bilder von innen her und die von außen her sehr verschieden sein können. Eine Gemeinschaft, die man innen als warm und einschließend erlebt, kann von außen her kalt und ausschließend wirken. Aber selbst wenn diese Bilder noch so gegensätzlich sind, können beide ohne Weiteres wahr sein. Soviel ich weiß, sind die Smiths Freunde sowohl eine gute als auch eine grausame Gemeinschaft, je nachdem woher man sie sieht. Es ist eine ganz starke Tradition, christliche Gemeinschaften als eine Form von Freundeskreisen zu sehen. Einige kirchliche Gemeinschaften drücken dies in ihrem Namen aus. Außer an die Smiths Freunde könnte man an die Gemeinschaft der Freunde (die Quäker) denken, zwei Beispiele, die übrigens zeigen, wir verschieden man die Grenzen nach außen hin ziehen kann. Aber ebenso naheliegend wie solche Beispiele ist die lange Tradition innerhalb der Norwegischen Kirche, an die christliche Gemeinschaft als an einen "Freundeskreis" zu denken. Besonders innerhalb des Erweckungschristentums war dies üblich. Unabhängig davon, ob man das Wort "Freundeskreis" benützt oder das modernere "Glaubenskollektiv" benützt, wird die christliche Gemeinschaft hier als dichtes, nahes und vertrautes Verhältnis zwischen Menschen gezeichnet - so wie es gewöhnlich zwischen Freunden ist. Hier teilt man das Allerinnerste miteinander und wird in einer vielfältigen sozialen Gemeinschaft miteinander verknüpft, in der auch vieles Äußerliche gemeinsames Eigentum wird. Versteht man die christliche Gemeinschaft als einen "Freundeskreis", dann sollte es nicht daran fehlen, daß man auch seine Kaffeetassen, seine Sprache, seine Umgangs- und Musikformen, seinen Lebensstil und die meisten Haltungen gemeinsam hat. Es gibt derzeit viele, die betonen, wie wichtig es für Christen sei, Gemeinschaft zu suchen. Niemand kann dies bestreiten. Mit seinem Glauben allein zu sein, ungeachtet aus welchem Grund, bedeutet, eines großen Reichtums beraubt zu sein. Dennoch fühle ich mich nicht immer wohl, wenn dies betont wird. Die Empfehlungen der christlichen Gemeinschaft, alle die herzlichen Einladungen, wirken gleichzeitig oft so ausschließend. Es kommt mir vor, als ob sie gleichzeitig damit, daß sie anlocken, auch Fronten und Absperrungen bauten.

Früher meinte ich, es müsse ein Gegensatz zwischen Einladen und Ausschließen im gleichen Atemzug bestehen. Aber das muß gar nicht der Fall sein. Nicht, wenn die christliche Gemeinschaft als ein Freundeskreis verstanden wird, analog mit anderen Freundesgruppen. Denn da gilt, daß niemand Freund ist - wenn niemand draußen gehalten wird.

Mißversteht mich nicht, ich bin kein Gegner von Freundschaft, auch nicht von Freundschaft zwischen Christen. Aber die Grundlage für christliche Gemeinschaft ist eine ganz andere. Und das Wesen der christlichen Gemeinschaft ist ein ganz anderes. Die hat ihren Grund in Christus und besteht darin, mit ihm vereinigt zu sein. Es ist eine Vereinigung, welche die Menschen durch Wort und Sakrament erreicht. Dies ist nicht in sich selbst sichtbar oder auf eine andere Weise Gegenstand der Erfahrung. Es ist eine geistliche Wirklichkeit, die im Glauben entgegengenommen wird. Diese geistliche Vereinigung mit Christus beinhaltet auch Gemeinschaft mit anderen Glaubenden. Aber auch diese Gemeinschaft ist in ihrem tiefsten Grund eine unsichtbare und geistliche Gemeinschaft. Oft wird sie sich wohl durch konkrete soziale Gemeinschaft äußern. Aber die Gemeinschaft mit anderen Glaubenden ist da, auch wenn man vom sozialen Kontakt mit anderen abgeschnitten ist. Wer in einer Einzelzelle sitzt, kann auch Teil der universalen Kirche Christi sein. Selbstverständlich ist das Einzelzellendasein keine Wunschsituation, und es bedeutet einen Reichtum, mit anderen Christen auf der Suche zu sein und das soziale Leben mit ihnen teilen zu können. Aber die christliche Gemeinschaft baut auf etwas anderem auf und ist etwas anderes als die menschliche Gemeinschaft, an der wir teilnehmen mögen. Es ist eine Gemeinschaft, die nur im Glauben begriffen werden kann und die aus Gnadenmitteln lebt. Sie ist streng genommen nicht davon abhängig, in menschlicher Gemeinschaft gelebt zu werden. Und sie ist ganz besonders nicht von der Teilnahme an einer bestimmten sozialen Gemeinschaft abhängig. Ich habe nach und nach aus ziemlich vielen christlichen Gemeinden und Milieus Erfahrung gesammelt. Die Vielfalt war ein Reichtum. Und habe ich Christen aus anderen Gemeinschaften getroffen, so habe ich dies nicht als ein Problem gesehen, daß ´deine Freundeª nicht dasselbe waren wie ´meine Freundeª. Warum sollte es nicht viele christliche Freundeskreise mit verschiedenen Formen und Eigenheiten geben? Die tiefere Gemeinschaft wird davon nicht bedroht - so lange man imstande ist, zwischen der Gemeinschaft in Christus und der Gemeinschaft, die der Logik der menschlichen Freundschaft unterworfen ist, zu unterscheiden.

Aber diese Weise, über die christliche Gemeinschaft zu denken, ist bedroht. Die meisten von uns haben eine natürliche Tendenz, bestimmte menschliche Verhältnisse und Formen für wichtiger zu halten, als sie sind. Wenn die christliche Gemeinschaft in erster Linie als Freundeskreis gesehen wird, dann gibt es wenig, was vor dieser Tendenz schützt. Dann kommt es dazu, daß eine christliche Gruppe ihren besonderen Freundschaftscharakter pflegt - so als ob das Wesen der christlichen Gemeinschaft darin bestünde. Die Gruppe wird dann nicht nur sich selbst immer ähnlicher, sondern diese Ähnlichkeit wird auch immer mehr zu einer Frage des Alleinseligmachenden. Es endet damit, daß eine Eigenart mit einer Wurzel in zwischenmenschlichen Verhältnissen als allgemeingültige Regel aufgefaßt wird: So sollten alle christlichen Gemeinschaften sein! Die, welche nicht so sind, sind nicht unsere Freunde und deshalb auch nicht Christi Freunde!

Wer hat nicht in seiner Gemeinde den Druck solcher Denkweisen erlebt? Wo die christliche Gemeinschaft als identisch mit dem Freundeskreis aufgefaßt wird, kommt es zu einer seltsamen Mischung von Sektenwesen und Eroberungseifer. Aber ungeachtet dessen, ob das Sektenwesen oder der Eroberungseifer dominieren, kann die christliche Gemeinschaft, wenn sie so verstanden wird, nicht vermeiden, eine Gemeinschaft auf Kosten anderer zu werden. Für mich ist das eine Verweltlichung des christlichen Gemeinschaftsgedankens.

Es gibt gute Gründe dafür, daß Smith viele Freunde hat. Aber es gibt mindestens ebenso gute Gründe dafür, daß er und die Freunde viele Nicht-Freunde haben. Auch wenn dieser doppelte Umstand in anderen Freunde-Zusammenhängen nicht ebenso scharf zum Ausdruck kommt, so ist dies doch die Logik jedes Freundeskreises. Und gerade so ist die christliche Gemeinschaft nicht.

Trond Skard Dokka (geb. 1946) ist Professor für systematische Theologie und Dekan an der theologischen Fakultät der Universität Oslo. Er hat vieljährige Erfahrung als Priester. Seine Genehmigung zur Veröffentlichung des Artikels im Internet liegt vor.

Letzte Änderung: 02. Oktober 1998 00:00