Aus "The Tablet", 21. September 1991.

Papst Johannes Pauls neue Bischöfe:

Die Zähmung der Donau

Von Scrutator

Eine neue Serie in "The Tablet" wird einige Bischofskonferenzen untersuchen, welche die Kriterien für die Auswahl neuer Bischöfe enthüllen, wodurch die allgemeine Verfahrensweise dieses Pontifikates und die sich daraus ergebenden Konsequenzen beleuchtet werden. Wir beginnen mit Österreich:

Karol Wojtyla's Vater wuchs in Galizien auf, der nordöstlichsten Provinz der österreich-ungarischen Monarchie, und diente in ihrer Armee während des ersten Weltkrieges. Krakau war die Hauptstadt Galiziens und ein Ort, wo polnische Kultur dank der österreichischen Toleranz florierte. Deshalb hatte Papst Johannes Paul II immer eine Schwäche für Wien und Österreich. 1983 feierte er dort den dreihundertsten Jahrestag der Schlacht, in welcher der polnische König Jan Sobieski eine "europäische Armee" befehligte, durch die die Türken für immer aus Europa verjagt wurden. Der Papst rief zu einem "neuen Kreuzzug" auf, der diesmal nur geistige Waffen gebrauchen sollte.

So war das päpstliche Interesse an Bischofsernennungen in Österreich sehr verständlich. Wien behielt das Ansehen einer Reichshauptstadt, aber ihres Glanzes beraubt; es herrscht nun über ein Land mit siebeneinhalb Millionen Einwohnern, von denen 85 Prozent katholisch sind. Kardinal König nahm 1985 seinen Abschied, nachdem er seit 1956 Erzbischof von Wien gewesen war. König war international bekannt als Gelehrter durch sein dreibändiges Werk "Christus und die Religionen der Erde". Das 2. Vatikanische Konzil bot ihm eine größere Bühne, auf der er sich bewegen konnte, und er engagierte klug Karl Rahner als seinen Konzilsberater. Paul VI erfand für ihn das Sekretariat (nun den Rat) für die Nichtglaubenden, und erlaubte ihm, diese kuriale Körperschaft von auswärts zu leiten - dies hatte es vorher nicht gegeben.

Königs inoffizieller Auftrag inkludierte Aufgaben in Osteuropa. Er vermittelte bei der Befreiung von Kardinal Mindszenty aus der amerikanischen Botschaft in Budapest und wurde mit den polnischen Bischöfen, vor allem Kardinal Karol Wojtyla, gut bekannt. So wurde er der Königsmacher des Konklaves von 1978. Wojtyla war sein Kandidat. König blieb auf Wunsch von Papst Johannes Paul fünf Jahre über die übliche Altersgrenze - 75 - hinaus im Amt. Mit 80 blieb ihm aber nichts anderes übrig als zu resignieren. Obwohl sein Abschied im September 1985 lange vorherzusehen war, dauerte es über ein Jahr, bis ein Nachfolger ernannt wurde.

Diese Verzögerung kann nun erklärt werden. Der "natürliche Nachfolger" für König wäre sein Auxiliarbischof Helmut Krätzl gewesen, aber dieser hatte seine Reputation dadurch verunziert, dass er für die Möglichkeit eingetreten war, wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zuzulassen. Die Kongregation für die Bischöfe hat eine Checkliste für "unakzeptable Meinungen", mit deren Hilfe alle Kandidaten ausgeschieden werden, die "liberale" Ansichten haben. Als Krätzl kaltgestellt war, versuchte der kirchliche rechte Flügel im Verein mit dem politischen rechten Flügel der Österreichischen Volkspartei, Kurt Krenn als Erzbischof von Wien durchzubringen.

Krenn war Professor der Philosophie in Regensburg (Bayern), wo Kardinal Joseph Ratzinger ab 1969 bis zu seiner Berufung zum Erzbischof von München im Jahre 1977 lehrte. Sein Lebenslauf enthält 13 Jahre in Rom (1955-67), wo er eine Doktorarbeit schrieb. Er hatte aber keine Bücher verfasst, und niemand konnte die "150 Veröffentlichungen" ausfindig machen, auf die er in einer Presseaussendung Anspruch erhob. Er hatte nicht einmal etwas in "Communio" veröffentlicht, dem konservativen Gegenstück zu "Concilium".

So wurde schließlich ein Kompromisskandidat neuer Erzbischof von Wien: Hans Hermann Groër, damals 69, ein Benediktinermönch und bescheidener Schuldirektor, der seit seiner Pensionierung den nicht sehr bedeutenden Marienwallfahrtsort Roggendorf betreute. Während Groër offensichtlich kein König war, überraschte er doch viele. Wenn er spontan sprach, bemerkte er, dass die Weihe von Frauen "zur Diskussion stehe". Sein Pressebüro dementierte augenblicklich. Er zeigte auch pastorale Großherzigkeit und Bereitschaft, Probleme durch Dialog zu lösen.

Aber 1987 wurde Kurt Krenn zum Auxiliarbischof von Wien ernannt, obwohl Groër nicht darum gebeten hatte und für die katholische Bevölkerung von mehr als eineinhalb Millionen mit Auxiliarbischöfen gut versorgt war. Die Wiener wunderten sich noch mehr darüber, dass Krenn "besondere Verantwortung für die Welt der Kunst, Literatur und Wissenschaft" übertragen wurde. Krenn sah nicht aus wie der rechte Mann am rechten Platz. In einem Fernsehinterview konnte er keinen einzigen zeitgenössischen österreichischen Künstler, Maler, Dichter, Bildhauer, Schriftsteller, Musiker oder Wissenschaftler nennen. Das war beunruhigend.

Der wahre Grund, warum Krenn ernannt wurde, war der, ein Wachhund über die österreichische Bischofskonferenz zu sein, wo er, trotz seines Status als dienstjüngster, dadurch Gewicht bekam, dass er als einer galt, der "das Ohr des Heilgen Vaters" hatte. Er machte sich bald zum Sprecher von Meinungen, welche diese Vermutung bestätigten. Nachdem er an einer Moraltheologie-Konferenz von Opus Dei teilgenommen hatte (obwohl er kein Moraltheologe ist und niemals zugegeben hat, Mitglied des Opus Dei zu sein), sagte er, die Zeit sei gekommen, "falschen Interpretationen von Humanae Vitae" entgegenzutreten, "die Raum für das 'Gewissen' lassen". Krenn hat die Gewohnheit, das Wort "Gewissen" unter Anführungszeichen zu setzen, als ob es eine Erfindung der Phantasie wäre. Krenn schlug auch vor, katholische Journalisten sollten eine missio canonica erhalten, mit jener von Theologen vergleichbar. Damit könnte man sie entlassen, wenn man sie anklagte, unorthodox zu sein.

Krenn hatte jedoch nicht die Mehrheit unter den österreichischen Bischöfen, bis 1989 zwei weitere vatikanische Ernennungen das Gleichgewicht der Macht änderten. Im Februar wurde Georg Eder, 61, zum Erzbischof von Salzburg geweiht, obwohl seine Ansichten kaum von denen des Erzbischofs Marcel Lefèbvre zu unterscheiden waren. Im März wurde Klaus Küng, 49, zum Bischof von Feldkirch geweiht, der westlichsten Diözese Österreichs, eingezwängt zwischen Deutschland und der Schweiz und direkt nördlich der Diözese Chur.

Küng ist Mitglied der Personalprälatur Opus Dei. Der scheidende Bischof, die Domherren, der gesamte Klerus und die meisten Laien wurden zu sofortigen Gegenaktionen entflammt, sobald der Name Klaus Küng erwähnt wurde. Sie klagten darüber, dass er keine pastorale Erfahrung in der Diözese habe, und prophezeiten, dass seine wohlbekannten antiliberalen Anschauungen zu einer Polarisierung der Meinungen führen würden.

Es sieht aus, als ob der Vatikan eine pessimistische Ansicht von der Situation der Kirche in Österreich hat, welche diese ungeeigneten und unpopulären Bischöfe beheben sollten. Eine Karrikatur zeigte dies im Bilde einer Feuerwehr. Es gab kein Feuer, aber ein unzufriedenes Mitglied der Familie hatte den Feuermelder betätigt. Die Feuerwehr kam herangebraust und richtete ihre Wasserstrahlen gegen das Haus und verursachte so immensen Schaden ohne jeden Sinn.

Die Annahme hinter all den neuen Ernennungen ist die, dass die österreichische Kirche in tödlicher Gefahr schwebt: dass sie der Säkularisierung, Gottlosigkeit und dem moralischen Zusammenbruch verfallen ist, und dass die Katholiken weltlich, liberal und abfällig geworden sind. In einem schlichten Vergleich sagte Erzbischof Georg Eder, die Kirche sei irregeleitet worden und habe ihre Tore offengelassen, sodass "alles Mögliche hereinkommen könne" und Ideen in die Kirche gelangten, "mit denen wir nur sehr schwer übereinstimmen können". "Schließt dieses Tor", ist Eders Botschaft.

Bischof Küng beklagte die "Übersexualisierung" der heutigen Konsumgesellschaft. Traditionelle Moral sei über Bord gegangen, unverheiratete Leute lebten öffentlich miteinander, und Humanae vitae würde weithin nicht beachtet. Das Trio Krenn, Eder und Küng trifft sich, um den Feminismus zu beklagen, der angeblich die katholischen Frauen heimsucht, von denen einige vermessen verlangen, zu Diakonen oder gar zu Priestern geweiht zu werden. Wenn die so weitermachen, dann werden sie den Unterschied zwischen männlich und weiblich zum Verschwinden bringen.

Das Trio beschuldigt Theologen, besonders Moraltheologen, zum Verfall der Moral durch einseitige Berufung auf Gottes Güte und Barmherzigkeit beizutragen. Schließlich ist - und das ist der Schlüssel für die Verfahrensweise - "die Krise der Kirche eine Krise der Bischöfe", wie Krenn sich 1987 ausdrückte. Statt die Wölfe und Mietlinge wegzujagen, wie gute Hirten es tun sollten, haben die österreichischen Bischöfe ihren pastoralen Dienst seit dem Konzil schlecht oder überhaupt nicht ausgeübt. So sagt Erzbischof Eder: "Sie haben abgedankt. Die Anpassung beruhte auf falschen Grundsätzen. Erneuerung wurde mit Bequemlichkeit verwechselt".

Wenn die neuen Verfahrensweisen die österreichische Kirche teilen und polarisieren, wie es ja offensichtlich der Fall ist, so ist das sehr schade. Krenn beharrt darauf, dass für den Bischof die Forderung nach Wahrheit vor der Forderung nach Einheit kommen muss. Seine Aufgabe ist es nicht, die Einheit "um jeden Preis" zu fördern, sondern "Fehler festzustellen und sie erfolgreich zu bekämpfen". Eine andere Forderung ist eine dicke Haut, um die Unpopularität zu ertragen, mit der es ein gewissenhafter Bischof zu tun haben wird.

Die vielgeschmähten österreichischen Bischöfe veranlassten eine vertrauliche Umfrage, wieweit sie selbst "bekannt wären und geschätzt oder abgelehnt würden". Fast jeder wusste über die neuen Ernennungen Bescheid, und der Hälfte der Befragten waren sie völlig gleichgültig; 40 Prozent hatten eine schlechte Meinung von den vier "neuen" Bischöfen, während 10 Prozent auf ihrer Seite standen.

Der Bericht bestätigte, was schon lange vermutet worden war. Für die meisten gewöhnlichen Leute waren diese innerkirchlichen Auseinandersetzungen keineswegs so sehr ein religiöser Konflikt als ein Autoritätskonflikt in der Kirche. Die beiden Parteien waren nicht durch eine Frage des Glaubens, sondern bezüglich ihrer Haltung zur Autorität gespalten. Die stärkste Ablehnung erfuhr die Haltung "der Boss hat immer recht", die von Krenn vertreten wurde. Bei einem neulichen Treffen der Bischofskonferenz wurde Krenn gefragt: "Was würden Sie tun, wenn der Papst eines Tages Ministrantinnen befürwortet ?" Krenn sagte, in diesem Fall würde auch er sie befürworten.

Der Vatikan nahm sich jedoch die Lehre aus diesem Bericht nicht zu Herzen. Im Juli wurde angekündigt, dass Krenn als Auxiliar von Wien durch Christoph Schönborn ersetzt würde, einen Dominikaner, der in Freiburg in der Schweiz dogmatische Theologie gelehrt hatte. Mehr als Krenn für das intellektuelle Apostolat geeignet, ist er wohlbekannt als Sekretär des Teams, das den Weltkatechismus verfasst. Er versprach, in Wien ein "Hörender, Beobachtender und Lernender" zu sein. Krenn musste Wien verlassen, wo er unter den Universitätsstudenten einige Verwüstungen angerichtet hatte.

Aber das bedeutet nicht, dass Krenn fallengelassen wurde. Im Gegenteil, er wurde zum Bischof der Diözese von St. Pölten befördert, der Hauptstadt von Niederösterreich. Dies bedeutete einen Schock für den resignierenden Bischof, Franz Zak, der fühlte, dass er nach 35 Jahren Dienst den Namen seines Nachfolgers nicht aus dem Radio hätte erfahren müssen. Erst in der Vorwoche hatte ihm der päpstliche Nuntius, Erzbischof Donato Squicciarini, versichert, dass die Gerüchte über Krenns mögliche Ernennung falsch seien und dass auf keinen Fall vor dem September sich etwas ereignen würde.

Schönborn wurde vom Vizekanzler Erhard Busek und dem sozialistischen Bürgermeister von Wien, Helmut Zilk, willkommen geheißen. Sie sehen in der Ernennung eines wirklichen Gelehrten eine entscheidende Änderung der Einstellung des Vatikan gegenüber Wien. Die erfahrenen Wiener zuckten mit den Achseln, eine Tätigkeit, welche sie sehr gut beherrschen.

(Übersetzung: Friedrich Griess)