Wem haben Katholiken Gehorsam zu leisten?

 

Gott, der durch Jesus Christus und die Bibel zu uns spricht?

Oder der kirchlichen Führung?

 

In Bezug auf Macht:

 

"Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein ..." (Mt 20, 25). "Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr aber alle seid Geschwister. Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen, denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel. Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen, denn nur einer ist euer Lehrer, Christus....." (Mt 23, 8-10).

Wir wollen ja nicht Herren über euren Glauben sein, sondern wir sind Helfer zu eurer Freude; denn im Glauben seid ihr fest verwurzelt.“ (2 Kor 1,24)

 

Die kirchliche Führung lehnt die Mitbestimmung des Volkes Gottes ab, ignoriert seinen Glaubenssinn und betreibt Personenkult: „Heiliger Vater“, „El Padre“ … . Macht führt in vielen Fällen zu Missbrauch.

 

In Bezug auf Ehe und Sexualität:

 

Jesus kümmerte sich bei der Wahl seiner Jünger nicht darum, ob sie verheiratet waren oder nicht. Im Gegenteil: gerade der "Fels" Petrus, auf den er seine Kirche baute (Mt 16,28), war bekanntlich verheiratet, denn er hatte eine Schwiegermutter (Mt 8,14). Der romantischen Vorstellung, die Jünger hätten sofort ihre Familien im Stich gelassen, ist entgegenzuhalten, dass sie. auch nach Jesu Auferstehung "nach Hause gingen" (Joh. 20, 10) und auch offenbar weiterhin ihren Beruf ausübten (Joh 21, 3). Der Apostel Paulus schreibt: "Haben wir nicht das Recht, eine gläubige Frau mitzunehmen wie die übrigen Apostel und die Brüder des Herrn und wie Kephas?" (1 Kor 9, 5), und über den Bischof: "Er soll ein guter Familienvater sein und seine Kinder zu Gehorsam und allem Anstand erziehen. Wer seinem eigenen Hauswesen nicht vorstehen kann, wie soll der für die Kirche Gottes sorgen?" (1 Tim 3, 4-5; ähnlich in Tit 1, 6). Ja, er bezeichnet sogar jene, welche die Ehe verbieten, als "betrügerische Geister" und ihre Lehre als jene "von Dämonen ..... getäuscht von heuchlerischen Lügnern, deren Gewissen gebrandmarkt ist." (1 Tim 4, 1-3). Das Wort, dass es Ehelose um des Himmelreiches willen geben wird (Mt. 19, 12), ist nicht in besonderer Weise an die Amtsträger gerichtet.

 

Die kirchliche Führung schreibt den Zölibat verpflichtend für Amtsträger des lateinischen Ritus und auch für solche der östlichen Riten vor, die in westlichen Ländern tätig sind; immer wieder gibt es Hinweise auch in einem neueren Rundschreiben, dass Ehe eine „Schwächung des sittlichen Lebens“ bedeute [1]; ähnliche Anklänge im „Brief an die Priester“ 2009 [2]. Nur sehr wenige verheiratete Menschen werden selig oder gar heilig gesprochen.

 

In Bezug auf die Frauen:

 

Jesus hat die Frauen gegenüber der Gesellschaft seiner Zeit aufgewertet. "Sie (die Jünger) wunderten sich, dass er mit einer Frau sprach" (Joh 4, 27). Auch die Szene mit der Ehebrecherin (Joh 8) und der Sünderin (Lk 7, 36-50) zeigen den Unterschied zwischen dem damals gängigen Verhalten zu den Frauen und dem Verhalten Jesu.. Ja, der Herr ließ sich von der kananäischen bzw. der syrophönizischen Frau bezüglich seines Vorhaben, sich nur um die Kinder Israels zu kümmern, sogar umstimmen: "Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen" (Mt. 15. 21-28; Mk 7, 24-30). Auch das Gespräch Jesu mit Martha und Maria (Lk 10, 38-42) und sein Verhalten beim Tod des Lazarus (Joh 11, 1-44) zeigt seine Hochachtung vor den Frauen. Konsequenterweise waren die Frauen in der frühen Kirche auch gleichberechtigt: "Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr seid alle 'einer' in Christus Jesus" (Gal 3, 28).

 

Die kirchliche Führung schließt die Frauen in doppelter Weise von der Mitwirkung in der Kirche aus: sie dürfen kein Amt bekleiden, und Männer, die (normalerweise mit Frauen) verheiratet sind, nur untergeordnete Ämter. Die Kirche wertet die Frauen gegenüber der Einstellung der Gesellschaft ab.

 

In Bezug auf die Ausgegrenzten und Gescheiterten:

 

Jesus kümmerte sich ohne Vorbedingungen um die Ausgegrenzten und Gescheiterten. "Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Darum lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer. Denn ich bin gekommen, die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten" (Mt 9, 12; ähnlich Mk 2, 17). In Joh 4 wird berichtet, wie er am Jakobsbrunnen mit der Samariterin, die ja wahrlich kein Muster an Tugend war, ein langes Gespräch führte. In Lk 15 rechtfertigte er vor den Pharisäern seinen Umgang und seine Tischgemeinschaft mit Sündern. In Mt 9 und Mk 2 hören wir, wie er mit Zöllnern und Sündern zu Tische saß.

 

Die kirchliche Führung hält Kommunionverbot für wiederverheiratete Geschiedene aufrecht. [3] Ich zweifle daran, dass diejenigen, die diese vom Leben meist ohnehin schon schwer getroffenen Menschen vom Kontakt mit Jesus abhalten, daran glauben, dass der Jesus im Sakrament derselbe ist wie jener, von dem uns die Bibel berichtet.

 

In Bezug auf die Einheit der Christen:

 

Jesus betete zum Vater um die Einheit seiner Kirche: "Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sei eins sind wie wir" (Joh 17, 11). Und Paulus beschwört oftmals die Einheit "... seid ganz eines Sinnes und einer Meinung... Ist denn Christus zerteilt? (1 Kor 1, 10-17) und: "Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller der über allem und durch alles und in allem ist" (Eph 4, 4-6) oder: "...dass ihr eines Sinnes seid, einander in Liebe verbunden, einmütig und einträchtig, dass ihr nichts aus Ehrgeiz und nichts aus Prahlerei tut" (Phil 2, 2-3).

 

Die kirchliche Führung verbietet die Interkommunion auch mit jenen Kirchen, die dasselbe Glaubensbekenntnis haben wie wir. Die Instanz, die zur Wahrung der Einheit errichtet wurde, das Petrusamt, ist heute das größte Hindernis für die Einheit. Großartige Erklärungen wie in "Ut unum sint" helfen nicht, wenn ihnen in der Praxis zuwidergehandelt wird. [4]

 

In Bezug auf das Schwören:

 

Bei Mt 5, 34-37 heißt es: Ich aber sage euch: Schwört überhaupt nicht, weder beim Himmel, denn er ist Gottes Thron, noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel für seine Füße, noch bei Jerusalem, denn es ist die Stadt des großen Königs. Auch bei deinem Haupt sollst du nicht schwören; denn du kannst kein einziges Haar weiß oder schwarz machen. Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.

 

Die kirchliche Führung verpflichtete zum Antimodernisteneid, den es heute in abgewandelter Form wieder gibt. [5]

 

In Bezug auf die Wahrheit:

 

Bei Joh 8,44 heißt es: Ihr habt den Teufel zum Vater und ihr wollt das tun, wonach es euren Vater verlangt. Er war ein Mörder von Anfang an. Und er steht nicht in der Wahrheit; denn es ist keine Wahrheit in ihm. Wenn er lügt, sagt er das, was aus ihm selbst kommt; denn er ist ein Lügner und ist der Vater der Lüge.

Eph 4, 25: Legt deshalb die Lüge ab und redet untereinander die Wahrheit; denn wir sind als Glieder miteinander verbunden.

 

Die kirchliche Führung gibt feierliche Erklärungen ab, die aber oft der Praxis widersprechen. Wie dies bezüglich der Einheit der Christen aussieht, wurde schon erwähnt. Den Bischöfen in den Kontinentalsynoden wurde gesagt, ihre überall gleich lautenden Forderungen nach Reformen seien „nur von lokaler Bedeutung“. Der Behauptung, Änderungen könnten nur von der „Weltkirche“ beschlossen werden, widersprechen die Privilegien einiger Diözesen bezüglich Bischofswahl und vielfältige Ausnahmen von der Zölibatsverpflichtung von Weltpriestern. Wahrheitswidrig wird behauptet, Priestermangel gebe es nur in Europa und Nordamerika. Papst Benedikt zeigte sich plötzlich über die Missbrauchsberichte, von denen er schon lange gewusst hat, „erschüttert“.[6] Durch falsche Auslegung des Begriffes „Pädophilie“ [7] wird versucht zu beweisen, dass sexueller Missbrauch nichts mit dem Zölibat zu tun habe.

 

Friedrich Griess  25.02.2011

 



[1] Rundschrieben „Ecclesia de eucharistia“, http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/encyclicals/documents/hf_jp-ii_enc_17042003_ecclesia-de-eucharistia_ge.html, Abschnitt 32: „Dabei darf man nicht der Versuchung erliegen, Lösungen anzustreben, welche die Eigenschaften schwächen, die von den Priesteramtskandidaten in Bezug auf das sittliche Leben und die Ausbildung verlangt werden.“

[3] Rundschreiben „Familiaris consortio“, http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/apost_exhortations/documents/hf_jp-ii_exh_19811122_familiaris-consortio_ge.html : „Sie können nicht zugelassen werden

[4] Im Rundschreiben „Ut unum sint“ (Damit sie alle eins seien) vom 25. Mai 1995 forderte Papst Johannes Paul II. die Führer der anderen christlichen Kirchen auf, ihm zu sagen, was er an seinem Amtsverständnis ändern müsse, um die Einheit der Christen zu ermöglichen. Hingegen erklärte Papst Benedikt XVI. in seiner „Regensburger Vorlesung“ (September 2006), jeder Versuch einer Enthellenisierung des Christentums sei abzulehnen und die Reformation sei ein solcher gewesen. Logischerweise wäre dann nur mehr ein „Rückkehrökumenismus“ möglich, den man seit dem 2. Vatikanum für überwunden  hielt. Siehe auch: Ulrich H. J. Körtner widerspricht Benedikts XVI. „polemischer Formel“ von der „Enthellenisierung“,  http://www.furche.at/system/showthread.php?t=16

[6] Die Glaubenskongregation, der Kardinal Ratzinger vor seiner Wahl zum Papst vorstand, hatte seit dem Jahr 2001 dreitausend Missbrauchsfälle behandelt.

[7] Die kirchliche Führung stützt sich auf die Aussage der Wissenschaft, ein normaler Mann werde nicht des Zölibats wegen pädophil. Darunter versteht die Wissenschaft aber die sexuelle Zuneigung zu vorpubertären Kindern und Jugendlichen, die von den 3000 bei der Glaubenskongregation aktenkundigen Fällen nur 10% ausmachen. 60% waren Ephebophlie (Missbruch von Burschen über 14) und 30% Parthenophile (Missbrauch von Mädchen über 14). Die kirchliche Führung rechnet wohl damit, dass der einfache Gläubige diesen Unterschied nicht kennt.